Echtes Drama, falsches Drama

■ Eine wunderschöne, aber vollkommen unwichtige Sache: Der SV Werder Bremen gewinnt gegen Hertha BSC völlig verdient mit 4:1 / Andree Wiedener ist wieder fit

Werder Bremens Übungsleiter Thomas Schaaf weiß im entscheidenden Moment, was wichtig ist und was nicht. Schön, aber unwichtig ist der 4:1-Erfolg seiner Mannschaft über die glücklose Konkurrenz von Hertha BSC. Tragisch und deshalb einzig wichtig ist, was Andree Wiedener in der Mitte der zweiten Halbzeit am Freitagabend vor 26.400 ZuschauerInnen im Weserstadion passierte: Bei einem Arbeitsunfall ging der Langzeitwerderaner zu Boden und blieb ewige Sekunden auf dem kalten, nassen Rasen liegen. Dass Wiedener seine Zunge verschluckt hatte, erfuhr man hinterher. Dass er von Doc Meschede gerettet wurde und am Samstag wieder wohlauf war, hörte man auch. Uff! Fußball kann lebensgefährlich sein. Doch das echte Drama nahm ein glückliches Ende. Kommen wir also zu der laut Schaaf „unwichtigen Sache“, die glücklich ausging, bevor sie ein Drama hätte werden können.

Mal gewinnt Werder, und mal verliert Werder. Doch zurzeit geht die Mannschaft häufiger als Sieger vom Platz. Das hat Gründe. Das viel zitierte Umschalten von der Abwehr auf den Angriff geht bei Werder sehr schnell – viel schneller zum Beispiel als bei der Hertha. Bei Standardsituationen ist die Gefahr für den Gegner oft förmlich zu riechen (8. Minute: Freistoß Herzog, Kopfball Trares, Toooor!; 17. Minute: Herzogs Ecke auf Baumann, Toooor!). Und dann sind da noch die einzelnen Ensemblemitglieder, die einfach mal einen guten Tag haben oder konstant zu den Besten gehören.

Bernhard Trares hat sich am Freitag statt der 8 die Rückennummer 88 verdient, so quirlig und erfolgreich leistete er in Abwehr und Angriff Arbeit für zwei. Außenläufer Raji Tjikuzu wird in Werders Multi-Kulti-Ensemble von Spiel zu Spiel besser, sicherer und für den Gegner gefährlicher. Und der einmal als Fehleinkauf geschmähte Ailton hat sein Geld längst eingespielt und war auch gegen Hertha eine Augenweide: In der 20. Minute steht er da mit dem Ball vor den Füßen, fuchtelt wegen fehlender Anspielstation ratlos mit den Armen herum, wird nicht angegriffen (Oh, Hertha!), spielt steil auf Eilts, und der Ball ist drin.

Wenn man neben dem Können Glück hat, kommt beim Gegner Pech dazu. Wosz, Alves, Preetz, ach fast jeder Herthaner durfte mal aufs Tor und ... vorbei köpfen. Und wenn der Ball doch mal in Richtung Gehäuse ging, stand mit einer Ausnahme Werder-Keeper Rost da und machte seine Arbeit gut. Nur in der 50. Minute, musste Rost nach hinten greifen: Da verkürzte Alves auf 3:1.

Hertha: Du hast eine gute Mannschaft, denn sie steckte trotz des hohen Rückstands nicht auf. Nicht auszurechnen, was das wieder für ein Drama geworden wäre, wenn Deine Berliner auch noch das 2:3 geschafft hätten. Aber im wirklich entscheidenden Moment waren Trares (Flanke) und Ailton (Sololauf und Tor) zur Stelle und setzten das I-Tüpfelchen auf diese wunderschöne, aber völlig unwichtige Sache namens Bundesligaspiel.

„Wir haben alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben“, sagte Thomas Schaaf hinterher. Doch er sieht noch Nachholbedarf in der Abstimmung – wenn der Ball praktisch nicht so ankommt, wie er theoretisch ankommen soll. Wenn der erste wirkliche Nachfolger Otto Rehhagels auf der Werder-Trainerbank auch dafür noch eine Fußballformel findet, ist endlich das nächste Spiel nicht mehr unbedingt das Schwerste. Christoph Köster

Nächstes Spiel: Werder gegen die Stuttgarter Kickers im DFB-Pokal-Halbfinale am Dienstag um 20.30 Uhr im Weserstadion