Modern Jet-set auf Japanisch

„Wir wollen Berlin etwas von der Wärme zurückgeben“: Sie kommt aus Osaka, er kommt aus Hiroshima, und zusammen legen die beiden in Berlin ihre Lieblingsmusik auf. Oder sie kochen Nudelsuppe. Ein Porträt des DJ-Pärchens Hiro und Hito ■ Von Christoph Braun

Das Donuts wird japanisch dekoriert, und Hiro und Hito legen All-time-favorites von Pizzicato Five auf

Das Cocolo ist eine ziemlich neue Nudelbar in Mitte. Anders als die meisten der neuen Locations zwischen Neuer Schönhauser Allee und Oranienburger Straße ist sie seit ihrer Eröffnung sehr gut besucht. Berliner Jungschriftstellerinnen geben sich hier mit anderen Mitte-Künstlern die Klinke in die Hand, und so manche DJane findet keinen Platz auf den schlichten Sitzmöbeln und muss ihr Nudelgericht im Stehen verspeisen.

Der Platz ist natürlich begrenzt, und die nicht mehr als drei Nudelgerichte, die es gibt, sind lecker. Doch ein dritter Grund für den Andrang im Cocolo dürfte sein, dass man hier auch japanische Alltagskultur präsentiert und die Cocolo-Betreiber Oliver Prestle und Michaela Vieser dabei von dem japanischen DJ-Pärchen Hiro und Hito unterstützt werden. Die beiden 25-jährigen Japaner haben als Türglocke ein japanisches Sprachsample installiert und in japanischen Zeichen die Speisekarte auf ein Stofftuch notiert. Darüber hinaus legen sie jeden Samstag und Sonntag im Cocolo Easy-Listening-Platten auf und kochen hin und wieder sogar.

„Japanische Nudelsuppe ist eines unserer Projekte“, sagt Hiro an einem der wie üblich betriebsamen Sonntagabende im Cocolo. Das meint er ernst, und Hito, der weibliche Teil des DJ-Paars, ergänzt: „Wir wollen Berlin jetzt etwas von der Wärme zurückgeben, die wir von Anfang an hier empfangen haben. Die Arbeit im Cocolo ist ein Teil davon.“

Vor zwei Jahren absolvierte Hito im Rahmen ihres Germanistikstudiums in Osaka einen Sprachkurs an der Humboldt-Universität. Als sie ein Jahr später mit ihrem aus Hiroshima stammenden Freund Hiro Berlin erneut besuchte, traf sie auf der Abschlussparty der Galerie berlintoyko ihren studentischen Betreuer wieder. Und dieser vermittelte den beiden, die eigentlich nur dreißig Platten in ihrer Reisetasche hatten, einen DJ-Gig: im Maria am Ostbahnhof, als Rahmenprogramm für die Berliner Sofa Surfer No Underground.

Nach zwei weiteren Mittwochabenden im Maria konnten sich Hiro und Hito dann kaum noch retten vor weiteren Anfragen für DJ-Sets – zwei Wochen wollten sie in diesem Sommer eigentlich nur bleiben, ein dreiviertel Jahr später sind sie noch immer in Berlin und aus den einschlägig angesagten Clubs nicht mehr wegzudenken.

„Es ist eine sehr kleine Familie in Berlin. Hier ist es ziemlich leicht, seine Ideen zu realisieren.“ kommentiert Hito ihrer beider Berliner Club-Werdegang. Mit dem richtigen Geschmack am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein: So könnte die Formel für ihre kleine Karriere lauten. Doch Hiro und Hito spielten der versammelten Verwandtschaft im Maria und später im Bastard, Doughnuts oder der Goldmine auch einen Mix aus Clubsounds und japanischem Zitatpop vor, der zuvor hinsichtlich seiner Leichtigkeit so noch nie in Berlin zu hören war.

Wobei sie mit ihren neuen Fans aus den etwas abseitigeren Clubs auch die professionell organsierte DJ-Szene leicht umgehen. Dort haben die Clubbetreiber eine sehr große Auswahl, vor allem die Technik an den Technics bildet hier das Hauptkriterium für das Buchen oder Nichtbuchen. Das aber ist wiederum überhaupt nicht Hiros und Hitos Sache. Sie präsentieren am liebsten ihre Lieblingsmusik und lassen an den Plattentellern völlig unangestrengt Track auf Track folgen. Für sie geht es nicht um den ausgeklügelten Mix, sondern um den eigenen Geschmack, statt um angespanntes Beherrschen des Equipements um Lockerheit und Spaß.

Da mögen dann die Galerie berlintokyo und ihr zwangloser Umgang mit den Regeln des Pop- und DJ-Business Geschichte sein – mit Hiro und Hito hat man jetzt ein Pärchen auf der Szene, das den Jungs aus der Galerie in nichts nachsteht: berlinosakahiroshima, wenn man so will, und zwar in ganz Mitte: Der Dienstag im ehrwürdigen Delicious Doughnuts gehört den beiden mittlerweile fest. „Sukisuki Donuts“, zu deutsch „Liebe Liebe Donuts“, heißt der Abend. Da wird das Donuts japanisch dekoriert, und Hiro und Hito legen All-time-Favorites wie Pizzicato Five und Dee Lite auf. Big Beats, Breakbeats und etwas House stehen dagegen stärker im Vordergrund, wenn sie in Institutionen wie dem Sage Club oder Leckerschmeckern wie dem Goldmine gebucht werden.

Doch egal wo sie sind, schaffen sie immer ganze Environments. Inseln aus Musik, Küche, Design. Modern Jet-set auf Japanisch, die Zukunft für den Hausgebrauch. „Unsere Lebenswelt für euch!“ heißt das bei ihnen, und wenn man mit alldem auch noch Heimweh bekämpfen kann – umso besser. Beim Verlassen des Cocolo erfährt man dann Schwarz auf Weiß die Intentionen, die Hiro und Hito auch mit ihren DJ-Sets verfolgen: „Please leave with your smile“ wünschen sie auf einem Zettel neben der Tür.

Jeden Dienstag im Delicious Doughnuts. Samstags und sonntags im Cocolo, Münzstraße/ Ecke Alte Schönhauser Allee