Machtkampf in Indonesien nähert sich der Entscheidung
: Entmachtung durch Umarmung

„Ich mache alle verrückt.“ So hat der indonesische Präsident Abdurrahman Wahid sich selbst charakterisiert. Dass er dabei so fröhlich und selbstsicher ist, hat seinen guten Grund: Wahid benutzt das „Alle-verrückt-Machen“ gezielt als Waffe im Machtkampf von Jakarta. Wie erfolgreich er mit dieser Methode sein kann, hat der halbblinde Muslimführer und Reformpolitiker sich und der Welt nicht zuletzt im vergangen Oktober bewiesen: Obwohl niemand – außer er selbst – es für möglich hielt, schaffte er es, sich zum Präsidenten wählen zu lassen.

Jetzt versucht der Präsident, seinen Zaubertrick erneut anzuwenden. Das Ziel: Er muss den umstrittenen Sicherheitsminister, General Wiranto, loswerden. Der ehemalige Armeechef wird von indonesischen Menschenrechtlern ebenso wie UNO-Ermittlern für die Zerstörung Osttimors verantwortlich gemacht, und deshalb ist er für die Regierung untragbar geworden.

Aber einfach entlassen kann der Präsident den widerspenstigen General nicht, so lange er nicht sicher ist, dass die Armee diesen Schritt akzeptiert. Stattdessen hat Wahid in den letzten Wochen still und zielstrebig die militärische Machtbasis Wirantos ausgehöhlt, indem er einflussreiche Freunde des Ministers von wichtigen Posten entfernte und stattdessen reformfreudige Offiziere einsetzte. Zudem unterzeichnete der Regierungschef ein Dekret, nachdem alle Minister, die wie Wiranto aus dem Militär kommen, sich bis Ende März entscheiden müssen, ob sie in der Regierung oder in der Armee bleiben wollen.

Dann begann er seine bemerkenswerte Kampagne, Wiranto zum Rücktritt zu zwingen, in dem er ihn öffentlich entmachtet. Bei seiner Reise durch Europa und Asien erklärte der Präsident täglich, er hoffe, der General werde freiwillig gehen. Gleichzeitig bot er ihm Amnestie und einen nicht weiter bezeichneten anderen hohen Posten an.

Dabei weiß der Regierungschef ebenso gut wie jeder Indonesier, dass der General sich ans Amt klammert, weil ein freiwilliger Rücktritt bedeuten würde, dass er seine Schuld für die Verbrechen in Osttimor eingesteht. Aber Wahid setzt darauf, dass sich jene Kräfte im Militär, die Wiranto bislang unterstützten, jetzt über ihre eigene Zukunft Gedanken machen und das sinkende Schiff verlassen.

Noch hält der General aus. Wenn er merkt, dass er verloren hat, wird Präsident Wahid ihn umarmen und öffentlich erklären, wie sehr er es bedauere, diesen tapferen Mann ziehen zu lassen. Jutta Lietsch