Wir sind die Beseelten

Sehr rund und sehr sixties: Das Museum für Kommunikation setzt freundliche Dienstleistungsroboter ein ■ Von Sebastian Handke

Man probt totale Autarkie: Einmal angeknipst, werden die Maschinen ad finitum den Lichthof behausen

„Schön, dass Sie kommen konnten! Und – noch Freunde mitgebracht? Oder gehören die Herrschaften nicht zusammen? Pardon. Aber nun hat man sich auf diese Weise doch noch kennen gelernt, nicht wahr? Ich sage immer: Hauptsache, man und frau spricht miteinander!“

So oder so ähnlich wird zukünftig begrüßt, wer in den Eingangsbereich des im März zur Eröffnung anstehenden Museums für Kommunikation eintritt. Den zentralen Lichthof des Gebäudes wird dann eine Population ganz eigener Art bevölkern: KOMM-REIN! (der Gastgeber), ALSO-GUT (der Kontemplative!) und MACH-WAS (der Chaot), drei so genannte Dienstleistungsroboter, halten dort Hof. Das ehemalige Postmuseum in der Leipziger Straße wird generalüberholt und dem Zeitgeist angepasst: Mit der Erarbeitung eines neuartigen Gesamtkonzeptes beauftragte Museumsleiter Dr. Kallinich das Stuttgarter Büro Merz (zuständig auch für die Alte Nationalgalerie).

Das Museum soll vor allem Ort der Kommunikation sein: Vitrinen kamen nicht in Frage. Also erschuf man den plappernden Maschinenpark. Diese Pinguin-Boliden rollen bedächtig durch den Lichthof und vermessen die Fließen des Areals mit einem unsichtbaren Laserstrahl, der einen Sichtwinkel von 180° hat und die gesamte Fläche erfassen kann. Wahrnehmung aus der Mausperspektive: Was mit zwei Beinen auf dem Boden steht, wird der Gattung Mensch zugerechnet, alles andere, sofern es keiner der beiden anderen Roboter ist (welcher dann sogleich mit „Hallo, Kollege!“ begrüßt wird), dem Reich des Unbeseelten.

Dazu gehören die Mitglieder dieses freundlichen Fuhrparks sicher nicht. Sie entsprechen ganz der Definition des Beseelten durch Aristoteles (der es ja wissen musste): Beseelt ist, was sich bewegt und wahrnimmt. Der abseits stehende Hauptrechner dient lediglich zur Programmierung und kann abgeschaltet werden, die Anwesenheit von Technikern vor Ort ist nicht vorgesehen. Man probt totale Autarkie: Einmal angeknipst, werden die Maschinen unzerstörbar und selbstaufladend ad finitum den Lichthof behausen. Allerdings nur, wenn ihnen ihr Innenleben keinen Strich durch die Rechnung macht. Das besteht nämlich aus gewöhnlicher PC-Technologie: einem Pentium-II-Prozessor und Windows NT.

Die ersten Kontakte zwischen dem Büro Merz und dem für die Technik zuständigen Fraunhofer-Institut liegen anderthalb Jahre zurück. Das Budget war auf 850.000 Mark beschränkt, was die Vergabe eines Forschungsauftrages unmöglich machte. Man griff also auf Bewährtes zurück: Der Haushaltsroboter „Care-o-bot“, der schon seit einiger Zeit seine Frondienste erfolgreich verrichtet, taugte zur Blaupause für die dienstleistende Museumsrobotik. Das Prinzip der „flexiblen Automatisierung“ ermöglichte die schnelle Umprogrammierung vom Hausdiener zum Museumsentertainer.

Jetzt musste nur noch das Äußere angepasst werden. Für die Oberflächengestaltung engagierte man sodann einen Künstler Namens Künzler. Ralph Künzler hat von der Miniaturskulptur bis zum Wohnwagen schon vieles gestalten dürfen und ist notorischer Robotiker, was er schon dadurch bewies, dass er bei der Pressekonferenz mit einer Vinylversion von Kraftwerks „Roboter“ aufwarten konnte.

Er kleidete die drei Freunde in Metallgewänder, die sämtlich aus wieder aufbereitetem Zivilisationsmüll gewebt wurden: Personenwaagen, Kotflügel, Trockenhauben und Staubsaugerdüsen (das Schweizer Modell „Tornado“). Alles ist sehr rund und sehr sixties – eine mit viel Glanz versehene Wirtschaftswundervision der künstlichen Gestalt.

Aber es ist mehr als bloß praktizierter Retrofuturismus: Künzler kam es darauf an, eine Form zu schaffen, die die Balance findet zwischen Figur und Abstraktion – also weder Mensch noch Würfel. Die Objets trouvés erfahren formale und funktionale Bereinigung: Recycling im Dienste der Zeitlosigkeit. Und das alles mit dem Segen der Berufsgenossenschaft.

Die Androiden aus Spielbergs Sternenkrieg-Saga haben die Maßstäbe gesetzt. Die inzwischen zum Stereotyp geronnene Mischung aus Ungeschicklichkeit und Eloquenz, die C-3PO oder R2-D2 auszeichnet, emulieren diese Service-Roboter beinahe perfekt: Sie sind höflich, nützlich und ausgestattet mit diesem typischen Charme, der auf einer ganz spezifischen Form friedlicher Dummheit beruht.

Die Beseelung toter Dinge nennt man Animismus. Hier ist ein Techno-Animismus entstanden, der uns beruhigt: Anfangs noch technisch bedingt, wird die kalkulierte Tollpatschigkeit zum Garanten dafür, dass wir uns verwandt fühlen und dennoch als Herr im Hause. Die simulierte Niedlichkeit dieser kleinen selbstbewegenden Monster macht sie erst richtig hominid. Ralph Künzler gab sich nach eigener Auskunft alle Mühe, Stereotype von Familie und Geschlechtsidentität zu vermeiden.

Zumindest das Erstere hat er wohl recht früh aufgegeben. Letzteres ist ehrenhaft, aber, angesichts der langen Tradition der Maschinisierung der Frau, kaum einzulösen – den unfreiwilligen Kommentar hierzu gab Professor Schraft vom Fraunhofer-Institut: „Wissen Sie, wenn ich meine Frau ansehe, dann weiß sie genau, was ich will. Auf diese Ebene werden wir mit den Robotern auch noch kommen.“