Die Verseuchung ist weiter im Fluss

Die Zyanid-Welle hat Jugoslawien erreicht. Naturschützer fordern, dass Umweltstandards auch im Ausland gelten müssen

In Australien fordern Umweltgruppen, dass australische Umweltstandards auch im Ausland eingehalten werden müssen

Die Zyanid-Welle aus dem rumänischen Baia Mare richtet auch in Jugoslawien schwere Umweltschäden an. Das Gift löste am Wochenende in dem Fluss Theiß auf nordserbischem Gebiet ein massenhaftes Fischsterben aus und gefährdet die gesamte Tierwelt. Am Sonntag erreichte die vier Kilometer lange Zyanidlauge über die Theiß auch die Donau vor Belgrad. Im Vorort Vinca musste gestern die Trinkwasserversorgung abgeschaltet werden. Serbiens Umweltminister Branislav Blazić kündigte bereits Schadenersatzforderungen an.

Vor zwei Wochen waren rund 100.000 Kubikmeter zyanid- und schwermetallhaltiger Giftschlamm aus einem Auffangbekken der australisch-rumänischen Goldfabrik Aurul in der rumänischen Stadt Baia Mare ausgeflossen und über das Flüsschen Somesch in die Theiß gelangt, Ungarns zweitgrößten Fluss.

Nachdem die Giftwelle Ungarn am Wochenende verlassen hatte, ist dort das Ausmaß des Schadens noch nicht absehbar. Aus der Theiß werden weiter zentnerweise tote Fische geborgen. Umweltschützer versuchen, die am Fluss lebenden Vögel und Tiere durch Fütterung davor zu bewahren, sich von vergifteten Fischen zu ernähren. In der ostungarischen Großstadt Debrecen blieb die Wasserentnahme aus der Theiß unterbrochen.

In der nordserbischen Wojwodina sammelten Bewohner der Theiß-Gemeinden am Wochenende mehrere Tonnen toten Fisch aus dem Fluss. Die Umweltbeauftragte der Stadt Senta, Valeria Balint, sagte der taz, der Giftunfall sei eine „ungeheure ökologische Katastrophe“, deren Auswirkungen noch nicht absehbar seien. Eine Trinkwassergefährdung habe aber nicht bestanden, so Balint, da das Wasser aus Tiefbrunnen bezogen werde. Allerdings seien nun in der Region zahlreiche Arbeitsplätze verloren, da viele Menschen vom Fischfang lebten.

In Rumänien ordnete Regierungschef Mugur Isarescu am Wochenende eine Untersuchung des Giftunfalls an. Laut Außenminister Petre Roman sei Schadenersatz an Ungarn möglich. Rumäniens Umweltministerium und auch die Medien reagierten verärgert auf die „übertriebenen Berichte“ zum Giftunfall. Der Staatssekretär im Umweltministerium, Anton Vlad, der wiederholt die australische Betreiberfirma alleinverantwortlich für den Giftunfall machte, sagte am Wochenende, dass sich die Mikrofauna am Ausgangsort des Unfalles in Baia Mare bereits teilweise wieder erholt habe.

In Australien fordern Oppositionspolitiker und Umweltgruppen, dass einheimische Firmen australische Umweltstandards auch im Ausland einhalten müssen. Bei Nichteinhaltung sollen sie zu Hause verklagt werden können. Die Firma Esmeralda aus Perth ist mit 50 Prozent an der für die Umweltkatastrophe verantwortlichen Goldfabrik beteiligt. Der grüne Senator Bob Brown verweist auf das Beispiel Sex mit Kindern.Wenn Pädophile inzwischen für im Ausland gegangene Taten zu Hause belangt werden können, müsse dies auch für Umweltdelikte möglich sein.

Esmeralda lehnt weiterhin die Verantwortung ab. Der Firmenchef verwies darauf, dass das Auffangbecken nicht geborsten, sondern wegen heftiger Schneeschmelze übergelaufen sei.

Keno Verseck/Sven Hansen