Blau-schwarze Feinde

Filmregisseure aus Österreich wünschen sich auch auf der Berlinale mehr Engagement im Umgang mit Haider ■ Von Christian Semler

Jetzt ist die Lederhosendreistigkeit im Vormarsch und wir werden schließlich alle in Lederhosen enden“. Michael Kreihsl, österreichischer Filmemacher und Mitinitiator einer Anti-Haider-Protesterklärung auf der Berlinale, ist Gott sei Dank noch in mitteleuropäischen Zwirn gekleidet. Aber die Angst vor einer drohenden Provinzialisierung der österreichen Kultur treibt ihn ebenso um wie seine beiden Kollegen Ruth Beckermann und Diego Donnhofer, die gestern zu einer Bestandsaufnahme der politischen Lage nach dem Machtantritt der „Blau-Schwarzen“ einluden.

Keiner der Filmemacher denkt an Emigration. Auch Vergleiche mit dem Kunstliebhaber Adolf Hitler unterbleiben. Den Künstlern droht, so die Filmer, auch keine staatlich verordnete Zensur, für so was sind die jetzt Regierenden zu schlau. Aber die öffentliche Meinung driftet nach rechts und mit ihr die Maßstäbe, die künftig in den Medien an künstlerische Produktion gelegt werden.

Schon seit Jahren erproben sich die „Freiheitlichen“ an der Taktik, einzelne nonkonformistische Künstler öffentlich anzuschießen, ihre Arbeiten als Produkte eines volksfernen, vom Staat gepäppelten Avantgardismus zu diskreditieren. In dem Maße, in dem sich Schüssel und Haider etablieren, werden nach Meinung der österreichischen Filmer die „Kunstschaffenden“ sich ducken und anpassen. Für den künftigen Opportunismus ist der kulturgewaltige neue Staatssekretär Franz Morak – seines Zeichens Schauspieler an der Burg – das erste, abschreckende Beispiel. Jahrelang erbitterter Haider-Gegner ist er beim Eintritt in die Regierung in die Front der Gesundbeter abgeschwenkt.

Die drei Filmemacher übten sich auf Anfragen aus dem Publikum – „Warum erst jetzt?“ – reichlich in Selbstkritik. Jeder Künstler in diesem Land verfolge ausschließlich seine Projekte, die linke, solidarische, politische Kultur läge am Boden. Ohne den Knüttel der EU, so Ruth Beckermann, hätte sich im Künstlermilieu kaum etwas bewegt, wofür man Brüssel Dank schulde. Noch im Wahlkampf, dem es an bösartigen, rassistischen Übergrifen seitens der Rechten wahrhaft nicht gefehlt habe, sei alles ruhig geblieben. Auch stimmt es, dass die österreichischen Kulturschaffenden weit mehr am Jahrzehnte währenden „schwarz-roten“ Filz partizipiert als sich ihm widersetzt hätten. Wodurch sie zu Haiders Aufstieg beitrugen. Aber besser sich spät rühren als überhaupt nicht.

Über das Ziel der jetzt begonnenen Protestaktionen herrschte auf dem österreichischen Podium Ratlosigkeit bzw. Uneinigkeit. Michael Kreihsl sieht für die nahe Zukunft keine Perspektive. Die Bevölkerung sei nun mal so blöde, wie sie sei. Weshalb auch von der Forderung nach Neuwahlen abzuraten sei. Diego Donnhöfer, Obmann der österreichischen Filmregisseure, befürchtet für die nächste Zeit den Durchmarsch kapitalistischer Effizienzkriterien in der gesamten Kulturproduktion.

Dagegen hält Ruth Beckermann an der Forderung „Abtreten!“ fest. Außerdem warnt sie davor, die Angriffe lediglich auf Haider zu konzentrieren und die Untaten seiner Kompagnons zu verschweigen. Wie das zu bewerkstelligen sei? Mit Massenaktionen, Druck vom Ausland her, dazu die österreichischen Sozialisten aus ihrer totengleichen Apathie aufrütteln. Die Großdemo am nächsten Samstag soll ein Zeichen sein – hoffentlich unter Beteiligung vieler ausländischer Gäste.

Immerhin haben sich die österreichischen Filmer auf die Umrisse eines gemeinsamen Projekts verständigt, eine filmische Kollektivarbeit, etwas nach dem Vorbild von „Deutschland im Herbst“. Sie wollen von ihrem, vom Zustand der demokratischen Opposition reden. Bei der Forderung nach einem Anti-Haider-Entlarvungsfilm winken sie ab. So etwas habe es schon gegeben und es habe sich als kontraproduktiv erwiesen.

Natürlich würden sie Demos und Aktionen mit der Kamera begleiten. Hauptsächlich gelte es aber, sich einer in Österreich vergessenen Tugend zu besinnen – des persönlichen politischen Engagements.