Hans Haacke
: Kunstprovokateur

Hans Haacke glaubt an den Auftrag der Kunst. Sonst hätte er sich nicht am Kunst-am-Bau-Wettbewerb für den Reichstag beteiligt. Ähnlich wie etwa Jochen Gerz oder Christian Boltanski ist auch Haacke an Prozessen interessiert, bei denen Politik und Kommunikation sich im Kunstwerk spiegeln und damit den Öffentlichkeitsanspruch von Kultur einlösen. Zugleich sieht der 1936 geborene Konzeptkünstler die Wirkungsmacht der Kunst vorrangig im Diskurs, den sie auslöst, und eben nicht als Ergebnis einer solchen Auseinandersetzung – denn das wäre bloß eine Dienstleistung im öffentlichen Raum mehr. Der Diskurs, den Haacke mit seinen Arbeiten eröffnen will, liegt stets im Politischen und manchmal im Skandal: 1991 stellte er unter dem Titel „Die Fahne hoch!“ auf dem Königsplatz in München aus. Es waren schwarze Banner, auf denen die Beteiligung deutscher Chemiekonzerne am Bau von Waffen im Irak durch die Totenköpfe der SS symbolisiert wurde. In den 80er-Jahren hatte sich Haacke vor allem gegen die Apartheid Südafrikas gewendet. Dabei stellte er die wirtschaftlichen Interessen der Industriestaaten in den Vordergrund – von Shell bis Daimler-Benz wurden alle Profiteure in Foto- und Rauminstallationen einbezogen. Danach nahm er sich den rechten amerikanischen Senator Jesse Helms vor, der Gelder für schwule Kunstprojekte streichen ließ. So entstand 1990 „Helmsboro Country“ mit überdimensionalen Zigarettenschachteln und dem Kopf von Helms im Logo der Zigarettenmarke. Die meiste Kritik musste allerdings der Schokomulti und Kunstsammler Peter Ludwig einstecken. Sein imperiales Verhältnis zum Mäzenatentum wurde in der Arbeit „Pralinenmeister“ angegriffen, die zuletzt im Hamburger Bahnhof zu sehen war. Dass die Kunst Haackes damit auch museumsreif erscheint, ist nicht weiter verwunderlich: Immerhin wurde seine „Germania“-Arbeit 1993 auf der Kunstbiennale in Venedig ausgezeichnet. Tatsächlich haben sich die Grenzen verschoben: Indem Haackes Arbeiten im öffentlichen Raum auf historische und politische Problemzonen reagiert, wird die Kunst zum gesamtgesellschaftlichen Anliegen – und läuft Gefahr, allzu moralisch das gute Gewissen innerhalb des Staates zu bilden.

Harald Fricke