Das Portrait
: Krisenmanager mit Weitblick

„Michel Camdessus hat sich in Washington als Entwicklungspolitiker entpuppt“, schwärmte Bernd Dunnzlaff, Pressesprecher von Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, nach seiner Rückkehr von der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF). „Er ist richtig sympathisch“, finden bisweilen auch eingefleischte IWF-Gegner. Seit heute ist der Chef der mächtigsten internationalen Finanzorganisation in Rente.

Der nette Franzose musste in letzter Zeit jedoch auch viel Kritik über sich ergehen lassen. Schließlich ist er 1986 nicht als Entwicklungshelfer nach Washington gezogen. Der IWF müsse sich auf die makroökonomischen Programme konzentrieren und Armutsbekämpfung der Weltbank überlassen, kommentierte Bundesbankpräsident Ernst Welteke den angekündigten Kurswechsel des IWF in Richtung Armutsbekämpfung.

Camdessus legte bei seiner Abschiedsrede in Bangkok vergangenes Wochenende jedoch noch einmal nach und forderte sogar die Teilnahme von Entwicklungsländern am G-8-Gipfel der Industrieländer. Einige seiner Kritiker würden insgeheim seine Linie unterstützen, weil klar sei, dass der Währungsfonds nicht nur die Interessen der reichen Länder vertreten könne.

So etwas hören zum Beispiel die USA nicht so gerne und fordern deshalb einen Nachfolger, der wieder nur Not-Kreditgeber für in Zahlungsschwierigkeit geratene Länder sein will. Hier hatte der Fonds unter Camdessus wenig Geschick gezeigt.

Zuletzt stand der Währungsfonds unter dem Verdacht, Kredite an Russland vergeben zu haben, ohne zuvor die vorgeschriebenen Bilanzprüfungen durchzuführen. Michel Camdessus hatte diese Vorwürfe vehement dementiert. Als Vorwand, um den Franzosen zu bremsen, dienten sie jedoch allemal.

Der im Baskenland geborene 66-Jährige hatte zunächst Spanisch studiert, bevor er sich den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften zuwandte. Nach einer kurzen Tätigkeit in der algerischen Schulverwaltung begann er seine Laufbahn 1961 als Finanzexperte in der französischen Finanzverwaltung. Er stieg in den Finanzausschuss der Europäischen Gemeinschaft auf, wurde 1984 Präsident der französischen Notenbank und ging zwei Jahre später zum Währungsfonds nach Washington.

Seinen Rücktritt hatte Camdessus schon vor Monaten angekündigt: „Ich werde eine Entscheidung treffen müssen, bevor ich zur Last werde.“ Die Entscheidung über seinen Nachfolger ist nun eine Last für die EU und die USA.

      Katharina Koufen

Fotohinweis:

Michel Camdessus, seit heute Ex-Chef des Währungsfonds    Foto: AP