Die Pyramide im Werkzeugkasten

■ GAL-Funktionäre debattieren über sich: Mandat plus Amt – lieber was Erprobtes oder darfs auch mal was Neues sein?

Die Führungszirkel diskutieren, die Basis hört nicht zu. „Der Patient hat Fieber“, diagnostiziert Renate Künast die Symptome, das Krankheitsbild bleibe diffus, der Erreger unauffindbar. Die grüne Partei leidet, doch woran bloß? Daran, dass Entscheidungsstrukturen in der Partei „nicht effizient“ seien und „damit intransparent“, meint Künast, Fraktionschefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Deshalb müsse das altgrüne Dogma der Trennung von Amt und Mandat überwunden werden.

Um das den GALierInnen zu verklickern, ist die Frau, die Joschka Fischer gern als Parteichefin sähe, die aber dennoch ihr Landtagsmandat behalten will, am Dienstagabend eigens in die Rathauspassage nach Hamburg geeilt. 40 Grüne kamen ebenfalls. Die Fraktion ist zur Hälfte angetreten, der Landesvorstand fast vollzählig, dazu ein Dutzend weiterer Amtsinhaber in Bezirken und Arbeitsgemeinschaften, der einfache Grüne von der Straße hingegen nicht.

Künasts Kontrahentin auf dem Podium ist eine Linke, die plötzlich in der wertkonservativen Ecke steht. „Ich halte eine Pyramide der Macht für falsch“, sagt Antje Möller, GAL-Fraktionschefin in der Bürgerschaft. Eine Personalunion an der Spitze von Partei und Fraktionen oder Regierungen gefährde die innergrüne Basisdemokratie. Und die hält Möller für ein in 20 Parteijahren „erprobtes“ System.

„Aber kein bewährtes“, kontert Künast. Nach so vielen „Probejahren“ müsse jetzt etwas her, „was effektiv“ sei und „medienwirksam auch“. Also müsse „der Werkzeugkasten neu sortiert werden“, folgert sie aus ihrer Aufzählung von Sekundärtugenden. Möller beharrt auf Strukturen, „die Kommunikation und Transparenz“ fördern, auf der Ablehnung von „kleinen Zirkeln, die Bürger, Wähler und Basis nicht mehr erreichen“.

Nur die linke GAL-Chefin Kordula Leites springt ihr bei. Die Gesellschaft sei „viel flexibler und mobiler geworden“, analysiert sie ins Saalmikro, und dies müsse die grüne Partei „abbilden“. Außerdem würden „enge Hierarchien die Teilhabe von Frauen an der Macht gefährden“. Was Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Krista Sager zum Widerspruch reizt. „Ich war in der Hamburger Fraktion, dann Bundesvorstandssprecherin, und jetzt bin ich Senatorin“, referiert sie ihren Werdegang, den alle im Raum kennen, und dabei habe sie zwei Erkenntnisse gewonnen: Fraktions- und Regierungsmitglieder hätten „einen Informationsvorsprung“, und das mache „die Partei strukturell zum schwächsten Glied“. Folglich müsse das geändert werden.

Die Funktionäre unterm Rathausmarkt nicken. Sven-Michael Veit