Savoir clicken

Digitale Fehlergeräusche, die ein funky Eigenleben zwischen Arbeitsplatz, Kunst und Kommerz führen: Ein Soundtrack für die „Cut & Copy“-Generation von Mille Plateaux

Überall klickt und piept es aus Kommunikationsmaschinen, den Helferchen des modernen Lebens. Die Euphorie der großen (Fort-) Schritte hat sich in viele kleine Bewegungen zwischen eins und null nivelliert, der Pioniergeist der Computerklangforscher ist weltweit einem Savoir-vivre gewichen, das Musik aus Geräuschen als spontanen Ausdruck dieses neuen Lebensgefühls installiert. Die berühmten Clicks, die digitalen Fehlergeräusche, wie OVAL sie zu Beginn der 90er musikalisch offen legten, führen inzwischen ein funky Eigenleben zwischen Arbeitsplatz, Kunst und Kommerz und formieren sich vor aller Ohren zum Soundtrack der „Cut & Copy“-Generation.

Auf der Doppel-CD der neuen Serie „clicks + cuts“ von Mille Plateaux treffen sich nun international die Produzenten und Tüftler aus den Klanglabors, um die Standards für diesen Soundtrack auszuhandeln. Mit immer gleichförmigeren und einfacheren akustischen Informationsbausteinen fassen sie die elektronische Musik zu einem neuen Code des Minimalismus zusammen. In rückwärts-vorwärts-rückwärts trudelnden Loopbewegungen rauscht, bleept und knistert es immer wieder neu, sodass Standardgeräusche sich in den zahlreichen Subgenres zwischen Techno und Elektronikpop nicht festsetzen. Sie schaffen verschiebbare Rhythmusparameter, vom losen Gerüst ambienter Soundscapes (die Japaner NEINA und Sutekh) bis zum technoiden Beat (SND, die Finnen Pan Sonic, die Isländer Stillupsteypa, Wolfgang und Reinhard Voigt und Ester Brinkmann aus Köln). Die Clicks lösen die Loops aus wie beim Druck auf die Computertaste, schneiden sie ab, schneiden in das Klangwellenprofil oder schließen sie wie ein Fenster auf dem Bildschirm – die Vorgänge sind immer dieselben, produzieren aber je nach Sounddichte abruptere oder fließendere Übergänge.

Doch das eigentlich Faszinierende ist die Transparenz zwischen den minimalen Signalen – wie die wenigen ähnlichen Grundinformationen die Verschiedenheiten der 25 musikalischen Ansätze auf den zwei CDs durchscheinen lassen und mittransportieren: Frank Bretschneiders Telekommunikationsfunk, Jake Mandells Neotechno, Ultra Reds soziokommentatorisches Sampling.

So lässt es sich damit leben, dass diese Minimal-Ästhetik hier in einer hochwertigen und programmatischen Werkschau präsentiert wird – und dabei vielleicht schon gefährlich nahe vorm Überschreiten ihres Zenits steht. Bevor der Abglanz von Musik wieder in der Fluktuation der Datenwirklichkeit verschwindet, wird er kurz auf CD kopiert, ins altmodische Audio-Tonträgerformat. Ein Anachronismus – aber genau genommen geht es um Produktdesign, als Zugeständnis an die kleinen warmen Seiten des globalen Warenzentralismus. Pinky RoseDiverse: „clicks + cuts“ (Mille Plateaux/Efa)