Baut um, was euch sonst kaputt macht

■ In Verden wurde aus einer ehemaligen Bundeswehr-Kaserne ein ökologisches Kommunikations- und Agitationszentrum

In der Regel sind Kasernen klotzig, unansehnlich und versifft. Ihr martialischer Zweck drückt sich in der wuchtigen Aggressivität ihrer Architektur aus. Nicht so in Verden. Oder besser, nicht mehr in Verden. Da haben 14 ökologische Betriebe, politische Initiativen und soziale Einrichtungen eine Kaserne umgebaut. Statt eckiger Einöde schmeichelt es jetzt rund und bunt. Im Januar wurde das neue Ökozentrum Verden eröffnet.

„Wir wollten einen Ort schaffen, an dem man/frau sich trifft“, sagt Jutta Sundermann, eine Sprecherin des Ökozentrums. Selbstverwaltet, ökologisch und sozial soll es zugehen in der Verdener Öko-Metropole. Dabei geht es fern ab jeglicher 68-er Romantik um langwierige Plenumssitzungen, um viel Zoff und um knallharte Arbeit. Die Zahlen sprechen für sich: Über zwei Jahre Schuften waren nötig, die Kaserne menschenfreundlich umzugestalten. Das hauseigene Architekturbüro hat geplant, das hauseigene Institut für Mensch und Natur hat alle Schadstoffe verbannt, das hauseigene Unternehmen Biber hat ökologische Bau- und Dämmstoffe zurechtgelegt und die hauseigene soziale Wohnungsgenossenschaft AllerWohnen e.G. hat Gelder und MieterInnen gesucht. Denn neben den Räumen für Unternehmen, Projekte und Initiativen sind im Ökozentrum auch acht Sozialwohnungen entstanden.

Insgesamt 3,5 Millionen Mark hat der Umbau gekostet. „Wir haben die Gelder als zinsloses Darlehen von Freundinnen und Freunden bekommen, Zuschüsse von der Niedersächsischen Umweltstiftung, Bingo-Mittel und Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau stecken hier drin, alles zusammengestückelt aber seriös“, meint Jutta Sundermann. Auch freundliche Menschen aus Bremen haben gegen Einheitslohn beim Umbau geholfen und soviel wie möglich abgelegte Baumaterialien recycelt. Insgesamt 25 neue Arbeitsplätze wurden im Ökozentrum geschaffen. Zu den bereits genannten Unternehmen sind noch hinzuzuzählen: ein Restaurant mit Kulturbetrieb und mit einem herrlichen Lehmofen. Zusätzlich sollen Tagungsräume und günstige Übernachtungsmöglichkeiten im Hause andere Projekte animieren, ihre brain-stormings oder Betriebs-Managements einmal um den ökologischen Faktor zu erweitern.

Ein Kindergarten, ein Treff für Mütter, Frauen und Lesben (Alraune) runden das Angebot des Ökozentrums ab. Vergessen sollte man allerdings nicht, dass man im Ökozentrum sogar Bundesumweltminister Jürgen Trittin zum Zittern bringt. In Verden wühlen nämlich die wenigen letzten radikalen Atomkraftgegner. Hier wird die bundesweite Anti-Atom taz-Beilage „restrisiko“ hergestellt. Hier werden zum X-ten Mal Castor-Blokaden bundesweit initiiert und koordiniert.

„Wir möchten leben und wir möchten etwas bewegen“, fasst Jutta Sundermann die Wünsche der Öko-Zentristen zusammen. „Wir müssen hier zwar Geld verdienen, aber wir bieten auch für schmale Geldbeutel Produkte und Leistungen an. Wenn das immer noch zu teuer ist, können Leute einfach bei uns lernen, wie man zum Beispiel sein Wohnumfeld gesund und ökologisch gestalten kann“, fügt Sundermann hinzu..

Fast scheint der sanierte Bau aus einem soziologischen Bilderbuch herausgeschnitten zu sein. Während die Wissenschaft den Verlust öffentlicher Kommunikationsorte beklagt, ist in Verden unter einem hallenähnlichen Glasdach ein Musterdorf „interaktiver Nähe“ entstanden. Tatsächlich gruppiert es sich um einen „Marktplatz“, einem im Halbkreis angelegten Empfangsbereich. Von hier aus sind alle Arbeitsgruppen, Läden, Kneipe etc schnell zu erreichen.

Fernab jeglicher Ideologie oder gar Parteizugehörigkeit versuchen hier Menschen, ihren Alltag halbwegs selbst zu bestimmen. Ist die alternative Bewegung also tot? Dass sie sich aufrafft, dafür wird in Verden einiges getan. In der ersten Etage versucht sogar ein Balettstudio die „Müdies“ auf die Hufe zu kloppen. Thomas Schumacher