Anwendung erscheint dringend sinnvoll

In Schleswig-Holstein setzt die CDU auf harte Wahlkampfmittel

Wer sich Volker Rühes planes und mittlerweile ausgereiftes Hundezüchter-Charisma vergegenwärtigt, der wird kaum glauben, dass die CDU sich jemals ernsthaft Hoffnungen gemacht haben sollte, mit diesem Spitzenkandidaten die kommende Landtagswahl in Schleswig-Holstein zu gewinnen. So viele Jahre schon agiert der Mann mit der etwas zwielichtig wirkenden Stammtisch-Physiognomie in der Parteispitze herum, ohne je anders aufzufallen als unangenehm. Den seltsam jovialen, rohen Sätzen, die er aufsagt, ist stets anzumerken, wie schwer es ihm fällt, sie einem nicht einprügeln zu dürfen. Diese kaum kaschierte Aggressivität ist denn auch das Einzige, was von seiner Zeit als CDU-Generalsekretär und Verteidigungsminister in Erinnerung blieb.

Rühes Problem aber ist nicht nur der Mensch, der er selber ist, sondern sind auch die, die ihn wählen sollen. Wäre Schleswig-Holstein ausschließlich von Schlachthofpförtnern, Gebrauchtwagenhändlern und nichtanonymen Alkoholikern bewohnt, hätte er natürlich die besten Aussichten, die Wahl zu gewinnen. Der Anteil derartiger Personen ist hier in der Tat ungewöhnlich hoch, höher noch als z. B. in Pommern und der Magdeburger Börde, doch sind die Leute dafür bekannt, Wahlen zu meiden, weil sie kein Schreibgerät im Hause haben und seine Handhabung scheuen wie ein Frühstück ohne Aufschnitt.

In dieser schockschweren Not bringt die CDU in Schleswig-Holstein jetzt eine Wunderwaffe zum Einsatz, mit der sie trotz Rühe den Endsieg im Wahlkampf doch noch zu erreichen hofft. Ihre V 2 ist eine kleine, blauweiße Pappschachtel, in der sich ein unauffälliger Holzbleistift befindet, der als eine Art Medikament kostenlos an die Bevölkerung abgegeben wird. Die leidet unter der in Schleswig-Holstein grassierenden Seuche namens „ESPEDEMIE“, gegen die nur ein Mittel wirksam hilft: der Holzbleistift mit dem Namen „CDUMIN 2000“.

Wie das geht, steht im Beipackzettel, der „CDUMIN 2000“ regulär beiliegt und erstaunliche Informationen bereithält. „Zusammensetzung“: 1 Spitzenkandidat Volker Rühe, 45 regionale Wahlkreiskandidaten. Für einen einzigen fingergroßen Bleistift ist das eine ganze Menge. Früher, in Robert Louis Stevensons „Schatzinsel“, waren es bloß 15 Mann, die auf des toten Mannes Kiste saßen, aber die hatten wenigstens eine Buddel Rum bei sich. Wenn heute schon 46 Leute in einen Bleistift passen, geht morgen vielleicht die ganze CDU auf einen Bierdeckel. Doch weiter im Packungsbeilagentext. „Anwendungsgebiet“: Akute Unverträglichkeit mit rot-grüner Regierungspolitik, Schwindelgefühl bei nicht eingelösten Wahlversprechen, Übelkeit auf Grund bildungspolitischer Fehlentwicklungen sowie bei partiellen Lähmungen des vegetativen Nervensystems durch eine verfehlte Wirtschaftspolitik. CDUMIN 2000 hilft äußerst erfolgreich bei langjähriger Simonitis und durch rotgrün Schwäche bedingter Steenblockodontose. Grüner Star und Rühelosigkeit lassen eine Anwendung von CDUMIN 2000 als dringend sinnvoll erscheinen. Nun ist „lassen sinnvoll erscheinen“ an sich schon eine Wendung, die höchste Dubiosität signalisiert. Aber mit „dringend sinnvoll“ räumen die CDU-Wahlkämpfer souverän alle hermeneutischen Zweifel beiseite, die von den angepeilten Nordlichtern ohnehin nicht gehegt worden wären. Unter „Dosierung“ lesen wir: Soweit nicht anders verordnet, am 27. Februar 2000 in einer ihnen zugewiesenen Wahlpraxis CDU wählen. Bei „Art der Anwendung“ heißt es: Beide Kreuze an der richtigen Stelle machen. Zur „Dauer der Anwendung“: Bereits ein Wahlsieg verschafft für 5 Jahre Linderung. Und bei „Nebenwirkungen“ steht: Bei nicht ausreichender Dosierung von CDUMIN 2000 kommt es zu fortgesetzten Mangelerscheinungen in Schleswig-Holstein.

Hier endet die Vorlage bzw. bricht sie ab. Was fehlt, ist z. B. die Rubrik „Gegenanzeigen“, wo Eigenschaften wie Menschenverstand oder Hauptschulabschluss genannt sein müssten, die allerdings in Schleswig-Holstein nur selten vorkommen. Umso besser für Rühe und die CDU. Die wird mit „CDUMIN 2000“ nicht nur die Landtagswahlen gewinnen, sondern zweifellos auch ihre jetzige Krise überwinden und der SPD den Finger zeigen. Bzw. den Bleistift. Rayk Wieland