Ökolumne
: Tauben füttern

Die rot-grüne Bundesregierung fährt neuerdings sechsspurig

Wenn die Bundesregierung morgen früh die Republik verkauft, vielleicht nicht gerade an Österreich, dann wird dies niemand merken. Der Untergang der CDU dominiert alles. Da darf Verkehrsminister Klimmt (SPD) sogar 3,7 Milliarden Mark in den Ausbau der Autobahnen stecken und dies ungestraft als angeblich erstes Antistauprogramm bezeichnen. Und die Grünen nicken artig und verkünden mit tiefer gelegtem Verstand, dies diene der Sicherheit.

Als wäre nicht hundertmal bewiesen, dass der gemeine Breitreifen-Junkie mit Four-Wheel-Drive je kräftiger auf die Tube drückt, desto breiter die Rennpiste ist. Dennoch: Rot-Grün will sechsspurig fahren und damit „Mobilität sichern“. Großartig! Früher trugen die Grünen Krötenpaare über die Autobahn, heute schlucken sie sie und klatschen auch noch Beifall.

In den vergangenen Jahren haben die Thrombosen im dichtesten Schnellstraßennetz der Welt mit naturgesetzlicher Konstanz zugenommen. Der ADAC hat Staus und Superstaus mustergültig gezählt und in schicke Overhead-Tabellen gegossen. Seitdem wissen wir: Der größte Stau in der geräderten Republik war 170 Kilometer lang. Und: Allein im Juli und August 1999 hatten wir bei uns 462 Stillstände von mehr als 10 Kilometern. Was wir aber auch wissen und was auf jeder Verkehrskonferenz gebetsmühlenartig bis zum Eintritt des Tiefschlafs wiederholt wird: Man darf und kann dem Stau nicht hinterherbetonieren. Straßen bauen ist wie Tauben füttern: Es kommen immer mehr – Täubchen wie Autochen!

Das wirksamste Programm gegen den Stau – auch dies ist Konsens gesellschaftlicher Restvernunft – ist eine attraktive Alternative jenseits der Straße. Experten beschwören gerne den neuen, multimobilen, intelligenten Verkehrsteilnehmer, der souverän alle Verkehrsmittel nutzt und verkoppelt. Deswegen hatte schon die alte Bundesregierung versprochen, dass Schiene und Straße künftig gleichbehandelt werden.

Davon kann heute keine Rede mehr sein. Klimmt spendiert 3,7 Milliarden für die Straße, aber ebenfalls nur 3,7 Milliarden für Wasserstraßen und Schiene zusammen. Was will diese Bundesregierung? Will sie tatsächlich Verkehr verlagern? Dann darf sie alles, nur keine zusätzlichen Straßen bauen und entsprechend verheerende Signale aussenden.

Für die Finanzierung des „Antistauprogramms“ soll die geplante Schwerverkehrsabgabe herhalten, die vermutlich drei Milliarden Mark jährlich einbringt. Noch ist indes nicht sicher, ob diese Besteuerung der Lasterepidemie wirklich funktioniert. Offenbar gibt es Probleme mit der satellitengestützten Abrechnung. Davon einmal abgesehen: Die Schwerverkehrsabgabe wurde weithin als wirksames Instrument zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene gelobt. Die Brummis sollen endlich einen Teil der vielen Schäden bezahlen, die sie verursachen, und damit die Schiene konkurrenzfähiger machen.

Und jetzt kommt die Pointe! Man benutzt das Geld aus genau dieser Lenkungsabgabe, um Straßen zu bauen und die Infrastruktur für LKWs zu verbessern. Auf deutsch: Klimmt reißt mit dem Arsch ein, was er mit den Händen aufgebaut hat.

Während die Schwerverkehrsabgabe schon verbaggert ist, bevor sie überhaupt erhoben wird, kracht dem öffentlichen Verkehr die Finanzierung weg. Wegen des Brüsseler Verbots der „Quersubventionierung“ – Städte subventionieren mit Gewinnen aus den Stadtwerken ihre Verluste bei Bussen und Bahnen – fehlen den Kommunen fast drei Milliarden Mark jährlich! Auch sie hatten sich Gelder aus der Schwerverkehrsabgabe erhofft. Vergeblich.

Gibt es für solche Rückfälle in die 50er-Jahre (schon damals wurden die ersten Antistauprogramme beschlossen) eine Erklärung? Wie wärs mit den Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Wenn man weiß, dass Schlüsselstellen im Hause Klimmt mit NRW-Gefolgsleuten besetzt sind, und wenn man sieht, dass allein 16 von 37 angekündigten Straßenbauprojekten im größten Bundesland abgewickelt werden, dann wundert man sich ein wenig.

PS – weil das Millennium gerade zu Ende ging: Im 20. Jahrhundert starben 30 Millionen Menschen bei Unfällen auf der Straße. Pro Jahr sind das 300.000, das ist Hiroshima und Nagasaki und noch ein bisschen mehr und ein paar Kreidestriche und jede Menge Holzkreuze am Wegesrand. Zivilisation oder Rallyestreifen?

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