Kippen pflastern ihren Weg

Im Zwischenreich der rauchentwöhnten Frauen

Ausschlaggebend, es mit Allen Carrs Methode „Easyway“ zu versuchen, war die Spontanheilung des Kollegen Krauss – einem vorbildlichen Raucher, mit drei Packungen Roth-Händle am Tag und einem Büro, in dem es immer dampfte wie bei einem Kiss-Konzert. Krauss hatte Carrs Buch „Endlich Nichtraucher!“ gelesen, er hatte sich an alle Anweisungen gehalten und war im Handumdrehen zum Nichtraucher geworden. „Sie brauchen sich nur an meine Anweisungen zu halten und gelangen zwangsläufig zum Ziel. Es ist nicht schwer“, versichert Allen Carr, „es ist lächerlich einfach.“

Dass es bei Kollege Krauss geklappt hat, bewies schon mal, dass „Easyway“ auch für Extremraucher wie mich geeignet war. „Welche Art von Rauchern schafft es nicht? Zum Glück gibt es davon nur eine: die sich nicht exakt an die Anweisungen hält.“

Ich habe also vor drei Monaten aufgehört und hatte seitdem schon zwei Nikotinvergiftungen – eine leichtere, mit Übelkeit und Kopfschmerzen, und eine schwerere, einen totalen Knock-out. Sympathisch und wirklich easy zu befolgen war eigentlich nur die erste Anweisung: Während der Lektüre von „Endlich Nichtraucher!“ weiterzuqualmen, was das Zeug hält, befahl Carr und ordnete weiterhin an, auf keinen Fall vor dem finalen Kapitel „Helfen Sie, diesem Skandal ein Ende zu setzen!“ mit dem Aufhören zu beginnen. Erst am Ende des Buches – die Vorteile des Nichtrauchens dann bereits deutlich vor Augen – sollte man die finale Zigarette ausdrücken und losjubeln: „Hurra! Es geht mir gut! Ich bin Nichtraucher!“

Bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich allerdings ab, dass Allen Carr wohl nicht der Typ Mann ist, dem ich hörig werden könnte. Ich rauchte die letzte Zigarette, dachte: „So eine Scheiße, das funktioniert doch nie“ und vergaß zu jubeln, dass ich jetzt Nichtraucherin bin, war aber so wild entschlossen, die Sache nun ein für alle Mal durchzuziehen, dass ich das Buch wieder von vorne begann, was in hartnäckigen Fällen auch ausdrücklich empfohlen wurde. Meine beiden Lieblingskapitel, „Die gemeine Falle“ und „Ich spare x Mark die Woche“, las ich sogar mehrmals, konnte manche Passagen zwar schon auswendig, wartete aber dennoch vergeblich auf den versprochenen „Moment der Erleuchtung“, der sich nach fünf Tagen, spätestens aber nach drei Wochen einstellen sollte, und besorgte mir deshalb auch noch Allen Carrs zweites Buch, den 500-Seiten-Wälzer „Für immer Nichtraucher! Der einfache Weg, dauerhaft mit dem Rauchen Schluss zu machen“. Außerdem erwarb ich eine Packung Nikotinpflaster, wovon übrigens dringend abgeraten wurde. „Nikotinkaugummis bieten wenig Genuss, Pflaster überhaupt keinen. Wer von diesen Mitteln abhängig ist, muss sich irgendwann eingestehen, welche Figur er wirklich abgibt: die tragische Figur eines Nikotinsüchtigen! Da ist es doch wesentlich einfacher, wieder zur Zigarette zu greifen. Man kann dann wenigstens von der Illusion zehren, wegen des Genusses zu rauchen, und hat wieder das Gefühl, einer Gruppe anzugehören. Es ist einfach nicht dasselbe, wenn man eine Runde Kaugummis oder Pflaster ausgibt.“

Das stimmt, und klar ist auch, dass die Ausgaben für Bücher, Pflaster und die in Erwartung künftigen Reichtums vorab getätigten Anschaffungen die von Allen Carr in Aussicht gestellten Gewinne buchstäblich auffraßen und sogar ein Minus ergaben, was die Stimmung nicht gerade hob und ein Scheitern des ganzen Vorhabens immer wahrscheinlicher werden ließ. Dazu noch die düsteren Prophezeiungen Allen Carrs: „Wenn Sie die Anweisung ‚Greifen Sie niemals zu Ersatzmitteln‘ nicht beachten ..., wird dies alles zu einer massiven Depression führen, und Sie werden letztendlich scheitern!“ Wie wahr. Denn um meine Niederlage zu vergrößern, stürzte ich noch am Abend der Lektüre mit einigen schwer qualmenden Freundinnen ab, rauchte fremd und wachte am Morgen tot auf: meine erste Überdosis.

Zehn Rückfälle, davon zwei mit Überdosierung nach Rauchen bei gleichzeitiger Nikotinzufuhr durch Pflaster, muss daher die vorläufige Zwischenbilanz lauten. Kollege Krauss rät mir jetzt zum Kauf des dritten Allen-Carr-Buchs „Endlich Nichtraucher! Für Kinder und Jugendliche“, zur Not ginge aber auch Band vier: „Endlich Wunschgewicht!“ Okay, Baby, das ist easy. Wo ist mein Feuerzeug?

Heike Runge