Das Portrait: Ungeliebter Kandidat
Frank Dobson
Wie ein Gewinner sah er nicht aus. Frank Dobson ist zwar zum Labour-Kandidaten für das Londoner Bügermeisteramt ernannt worden, aber der moralische Sieger heißt Ken Livingstone vom linken Labour-Flügel. Der erhielt nahezu viermal so viele Stimmen wie Dobson, doch die Labour-Führung hatte das Wahlsystem so lange manipuliert, bis Dobson nicht mehr verlieren konnte.
Soll für Blairs Labour Party Londoner Bürgermeister werden: Frank Dobson Foto: Reuters
Eins muss man dem frisch ernannten Labour-Kandidaten allerdings zugute halten: Er hat Premierminister Tony Blairs Plan durchkreuzt, Livingstone von vornherein auszuschalten und ihn gar nicht erst antreten zu lassen. In diesem Fall hätte Dobson seine Kandidatur zurückgezogen. Blair würde die Wahl am 4. Mai lieber mit seinem Wunschkandidaten Dobson verlieren, als sie mit seinem Erzfeind Livingstone zu gewinnen. Dass beides eintreten könnte, ist ein Albtraum für den Premierminister. Ob Dobson Londons Bürgermeister wird, hängt nämlich vom „roten Ken“ ab. Entschließt sich Livingstone, als Unabhängiger zu kandidieren, hat Dobson wohl keine Chance.
Dobson, ein kleiner Mann mit grauem Vollbart, ist verheiratet und hat drei Kinder. In drei Wochen wird er sechzig Jahre alt. Er stammt aus York, wo er auch das Erzbischof-Holgate-Gymnasium besuchte, bevor er an der renommierten London School of Economics studierte. Danach nahm er eine Stelle im Vorstand der Elektrizitätsgesellschaft an, mit 31 Jahren wurde er in den Stadtrat von Camden in London gewählt.
Seit 1979 ist er Unterhausabgeordneter für den Londoner Wahlkreis Holborn und St. Pancras. Während Labours langen Jahren der Opposition bekleidete Dobson zahlreiche Ämter im Schattenkabinett: Er war nacheinander zuständig für Bildung, Gesundheit, Energie, Arbeit, Transport und Umwelt.
Eine Zeit lang plante Labour, nach der Machtübernahme ein Ministerium für London mit Dobson als Minister einzuführen, doch nach dem Wahlsieg von 1997 wurde er stattdessen Gesundheitsminister. Die Wahlversprechen, die Wartelisten in den öffentlichen Krankenhäusern zu verkürzen, konnte Dobson nicht halten, und aufgrund des unzureichenden Gesundheitssystems geriet er immer häufiger ins Kreuzfeuer der Kritik. Dennoch musste Blair ihn erst überreden, im Oktober vergangenen Jahres zurückzutreten und sich um das Bürgermeisteramt zu bewerben. Ralf Sotscheck
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