Kontrollierte Konsumlandschaft

■ Kriminelle Jogurtbecher auf Mission: Eine Diplomaustellung an der HfBK untersucht die „Kultur der Inneren Sicherheit“

Zur Ausrüstung der heutigen Putzfrau gehört ein Handy. Zumindest benötigt sie es, wenn sich ihr Arbeitsplatz in einem neuen Mall-artigen Einkaufszentrum befindet. Mit dem Telefon kann sie sofort zur Stelle sein, wenn Dreck oder Schmutz die Lust am unbeschwerten Einkaufen beeinträchtigen. Denn die Umwandlung ganzer Stadtteile vom sozialen Raum zu auf das Effizienzkriterium „Konsumfreundlichkeit“ reduzierter Anlagen gehört zu den gepriesenen Erfolgsgeschichten unserer Zeit. Doch wo schon ein leerer Jogurtbecher unerbittlich aufgespürt und gejagt wird, geht es seinem Verursacher nicht besser. Jogurt nämlich ist oft die einzige Nahrung, die Junkies herunter kriegen. Und erst wenn auch diese in alternativen Vierteln entsorgt sind, ist die Umstrukturierung des öffentlichen Raumes wirklich ein gutes Stück voran gekommen.

In der Reaktion auf diesen Prozess entstand das Obdachlosen-Projekt „Die Mission“. Mit Mitteln auch der Kunst sollte die Frage über die Definitionsmacht im städtischen Raum wieder gestellt – und ein Raum geschaffen werden, der offen und öffentlich für alle ist.

Im Rahmen der Diplomausstellungen an der Hochschule für bildende Künste und zugunsten der Mission findet eine Woche lang eine Veranstaltungsreihe statt. Unter dem Titel „Kriminelle Jogurtbecher und die Kultur der Inneren Sicherheit“ wird vom 23. bis zum 26. Februar der Raum K23 zum sozialen Raum. Tagsüber ab 15 Uhr lädt der mit Sofa und Materialien aus zwei Jahren Mission ausgestattete Raum zum Verweilen ein. In den späteren Stunden schließlich findet ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm statt: Ein breites Angebot von Filmen gehört jeden Abend dazu. Angefangen bei klassischen ARD-Dokumentationen über einen Wim-Wenders-Film von 1968, Bahn-Werbevideos bis zu neuen im Rahmen der Innenstadtaktionen geschaffenen semidokumentarischen Formen und Videoclips.

Eher theoretisch angelegt sind Vorträge von auch praktisch tätigen Menschen: zum einen über die Wirkungsprinzipien kontrollierter Konsumtionslandschaften und zum anderen über die sie begründende Philosophie wie das Menschenbild ihrer Protagonisten. Und nicht zuletzt stellt sich auch die Mission selbst in einem von Videos und Dias begleiteten Gespräch mit den Machern vor. Abgeschlossen wird das Ganze schließlich am Sonntagabend mit einem Documenta X-Beitrag über einen Wohnungslosen in L.A., der in einem Auto lebt und für eine Firmenberatung arbeitet, die auf Downsizing und Lean Management spezialisiert ist.

Wenn man danach wieder zuhause angekommen ist, sollte man vor allem eines im Kopf behalten: Jeder unaufgeräumte Jogurtbecher ist Teil eines Verbrechens. Dirk Franke

 Kriminelle Joghurtbecher & Die Kultur der Inneren Sicherheit, Mi, 23. 2. – So, 27.3., HfBK, Lerchenfeld 2, K 23, jeweils 15 – 22 Uhr