Fälscher bestücken AKW Unterweser

■ Dementi Mumpitz: Im Atomkraftwerk Unterweser ist doch mindestens ein Brennelement im Einsatz, dessen Prüfdokumentation vorsätzlich gefälscht wurde / Zwangsabschaltung droht

Seit gestern ist amtlich, was Skeptiker seit langem befürchten: Auch im Atomkraftwerk Unterweser bei Esenshamm ist mindestens ein Brennelement im Einsatz, dessen Sicherheitsdokumentation gefälscht ist. Ein Beschäftigter hatte unabsichtlich einen Datensatz gelöscht. Er kopierte daraufhin einen früheren Datensatz, um die Arbeit nicht noch einmal machen zu müssen. Damit ist nicht mehr belegbar, ob die vorgeschriebenen Sicherheitsüberprüfungen am betreffenden Brennelement stattgefunden haben.

Gestern hatte die Kraftwerksbetreiberin PreußenElektra behauptet, in dem niedersächsischen Kraftwerk seien lediglich Brennelemente im Einsatz, deren zweiter Prüfdurchlauf unvollständig dokumentiert sei. Nach einem Computerabsturz lägen über die Prüfergebnisse nur noch Restdaten vor. Das hatte eine Überprüfung durch die Firma Siemens ergeben. Laut PreußenElektra-Sprecherin Petra Uhlmann war das Umweltministerium in Hannover seit dem vergangenen Herbst über Manipulationen in der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield informiert und hat den Weiterbetrieb mit von dort stammenden Brennelementen genehmigt.

Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) äußerte sich dagegen „fassungslos“ über Zitate der PreußenElektra-Sprecherin Angela Ettl in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, wonach er über Prüfdaten-Manipulationen an den Brennstäben des AKW Unterweser informiert gewesen sei. PreußenElektra habe ihm noch am vergangenen Freitag versichert, im AKW Unterweser seien keine Brennelemente mit manipulierter Sicherheitsdokumentation im Einsatz.

Erst durch das gestrige Eingeständnis des Herstellers, der British Nuclear Fuels (BNFL) kam nun ans Licht, dass bei einem Brennelement regelrecht gefälscht wurde. Die PreußenElektra gibt sich „überrascht und verärgert“: „Uns gegenüber hat BNFL stets versichert, dass es keine Hinweise auf gefälschte Sicherheitsdokumente gibt“, sagte Konzernsprecherin Uhlmann. „Wir wissen bisher auch nicht, um welches der vier Elemente es sich handelt“, fügte sie gegenüber der taz hinzu. Das Unternehmen will nun die Zusammenarbeit mit BNFL überprüfen.

Dem AKW Unterweser droht indes eine vorübergehende Zwangsabschaltung. Vertreter der Umweltministerien in Berlin und Hannover wollen heute gemeinsam klären, ob die Anlage für eine Überprüfung der Brennelemente heruntergefahren werden soll. Erst morgen wird ein Bericht vom TÜV-Nord erwartet, der gegenwärtig in England im Auftrag des niedersächsischen Umweltministeriums die Betreiberunterlagen überprüft. Der TÜV-Nord war bereits bei der Produktion der Bernnstäbe 1996 vor Ort und hatte keinerlei Unregelmäßigkeiten festgestellt. Sobald die Vorkommnisse um die Lieferung der Mox-Brennelemente aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield an das AKW geklärt sind, soll die Reaktorsicherheitskommission eine sicherheitstechnische Bewertung des AKW vornehmen.

Schon bevor die Fälschungen bekannt wurden, hatte der BUND die unvollständigen Sicherheitsdokumentationen Beweis für die Notwendigkeit eines gesetzlichen Atomausstiegs gewertet. Die Grünen im niedersächsischen Landtag forderten ein Ende der nuklearen Wiederaufbereitung in Sellafield.

jank