Großmutter wartet auf den Henker

In Texas wartet die 62-jährige Betty Lou Beets als zweite Frau auf ihre Hinrichtung. Ihre eigenen Misshandlungen blieben unberücksichtigt ■ Aus Washington Peter Tautfest

Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird Betty Lou Beets morgen in einem Gefängnis in Texas sterben. Mit einer Giftspritze soll ihr Todesurteil aus dem Jahr 1985 vollstreckt werden. Es wird die 120. Exekution in Texas sein seit dem Regierungsantritt von Gouverneur George W. Bush und die 207. seit Wiedereinführung der Todesstrafe in Texas. Betty Lou Beets wird die zweite Frau sein, die in Texas seit dem Bürgerkrieg hingerichtet wird – die Hinrichtung von Karla Faye Tucker in Texas erregte 1998 weltweites Aufsehen. Beets ist als „Schwarze Witwe“ oder als die zum Tode verurteilte Urgroßmutter bekannt und wird in Anspielung auf den Spielfilm „Dead Man Walking“ auch „old woman waiting“ genannt.

Beets soll – zwei Wochen vor ihrem 63. Geburtstag – hingerichtet werden, weil sie 1983 ihren fünften Ehemann durch Kopfschuss mit einer Schrotflinte tötete. Tatmotiv war nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Lebensversicherung ihres Mannes, des Feuerwehrmanns Jimmy Don Beets. Sie wurde auch beschuldigt, aber nie angeklagt, ihren vierten Ehemann auf die gleiche Weise getötet zu haben. Beide Leichen wurden in ihrem Garten vergraben gefunden. Beets bestreitet beide Morde.

Ähnlich wie vor zwei Jahren Karla Faye Tucker, für deren Begnadigung sich sogar die christliche Rechte einsetzte, weil sie im Gefängnis bereute und zur bekennenden Christin geworden war, ist der Fall Beets zur Cause célèbre der Todesstrafengegner geworden. „Ich dachte, die Todesstrafe sei für Auftragskiller, für Massenmörder mit mindestens zehn Toten und für Gangbosse. Ich war naiv. Ich hatte mir nie vorgestellt, dass die Todesstrafe für eine schwer hirngeschädigte Frau bestimmt sein könnte, die ihr Leben lang von Männern misshandelt wurde und beschlossen hatte, die letzten beiden umzubringen“, schreibt Zack Exley auf seiner Webseite www.gwbush.com, die eine Parodie auf die Internetseite George Bushs ist.

Bundesweit sind von den 3.600 Menschen, die auf die Vollstreckung ihrer Todesurteile warten, 47 Frauen. Des Falls Beets haben sich vor allem Organisationen angenommen, die misshandelten Frauen helfen. Die Aktivistin Mary Robinson, die ursprünglich wegen Karla Faye Tucker von Seattle nach Austin (Texas) zog, schrieb die neun zum Tode verurteilten Frauen in texanischen Gefängnissen an und bat sie um ihre Geschichte. Die Korrespondenz mit den Todeskandidatinnen, die über Misshandlungen und entwürdigende Behandlung im Todestrakt berichten, veröffentlichte sie im Internet (www.whateverdesign.com/speakout/): „Ich bin von einer gewalttätigen Beziehung zur anderen gegangen,“ schreibt Beets, „manchmal dachte ich, die haben alle das gleiche Skript gelesen oder Männer sind alle nach dem gleichen Muster gestrickt.“

Verteidiger machen geltend, dass Beets von Kindheit an sexuell missbraucht wurde und ihren Hirnschaden durch Misshandlung erlitt. Sie ist lernbehindert, schwerhörig und leidet an den psychischen Folgen der Misshandlungen. „Kein Geschworenengericht, das um ihre persönliche Geschichte gewusst hätte, hätte diese Frau zum Tode verurteilt“, sagt eine Sprecherin des „Texas Council on Family Violence“. Ihr Anwalt aber war inkompetent, hat ihre Geschichte nicht recherchiert und das, was er wusste, nicht dem Gericht vorgelegt.

George Bush: „Vollstreckte Todesurteile retten Leben“

Zurzeit läuft eine Briefkampagne, die Gouverneur Bush um Gnade für Beets bitten soll. Abgesehen davon, dass der Gouverneur nach texanischem Gesetz die Frau nicht begnadigen kann – er kann nur auf Empfehlung eines Gnadenausschusses einen Aufschub von 180 Tagen zur Neuuntersuchng anordnen – ist unwahrscheinlich, dass Bush sich für Beets einsetzen wird. Seit Beginn seines Wahlkampfes um die Präsidentschaftskandidatur hat Bush pro Woche eine Hinrichtungsorder unterzeichnet – darunter zweier Verurteilten, die zur Tatzeit erst 17 waren, und eines Schizophrenen.

Bush wurde in einer TV-Diskussion gefragt, ob er seinem Kollegen und Parteifreund George Ryan aus Illinois nicht folgen wolle, der alle Hinrichtungen aussetzte. Denn dort waren von den 25 in den letzten Jahren verhängten Todesurteilen 13 zum Teil erst Stunden vor deren Vollstreckung aufgrund neuer Beweise aufgehoben worden. Bush antwortete, dass „vollstreckte Todesurteile Leben retten“. Er sei hundertprozentig überzeugt, „dass alle in Texas Hingerichteten auch schuldig waren“.

Seine Debattengegner John McCain und Alan Keyes widersprachen ihm nicht. Bush, der mit dem Slogan des „mitfühlenden Konservatismus“ Wahlkampf macht, will sich als harter Verbrechensbekämpfer darstellen. Auch Bill Clinton hatte 1992 eigens den Vorwahlkampf unterbrochen und war nach Arkansas zurückgeeilt, um die Exekutionsorder gegen einen geistig Behinderten zu unterzeichnen. Beets sagt derweil, sie warte auf die bevorstehende Hinrichtung wie auf die Rückkehr eines gewalttätigen Ehemannes.