„Die CDU ist der zuverlässigere Partner“

Burkhard Müller-Schoenau, stellvertretender Fraktionschef der Grünen, befürwortet eine schwarz-grüne Zusammenarbeit: „Es gibt Bereiche, in denen die CDU den Grünen näher steht“

taz: Bewerten Sie die Einladung der grünen EU-Kommissarin Michaele Schreyer zur CDU-Fraktionsklausur als Auftakt zu einer schwarz-grünen Debatte?

Burkhard Müller-Schoenau: Es ist auf jeden Fall ein Zeichen für ein entspannteres Verhältnis zueinander. Wenn eine solche Einladung von CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky ausgesprochen wird, der in den letzten Jahren stets gesagt hat, die CDU könne die Berliner Grünen auf keinen Fall als Partner akzeptieren, ist das ein positives Signal. Gespräche sind die Vorstufe eines Aufeinanderzugehens. Es ist aber noch zu früh zu sagen, was daraus wird.

Gibt es von grüner Seite Überlegungen, mit der CDU im entspannten Kreis Sachthemen zu erörtern?

Das passiert in bestimmten Politikfeldern bereits. Es gibt Bereiche, in denen wir der CDU näher stehen als der SPD. Wenn es im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses in den letzten vier Jahren darum ging, bestimmte Anträge zur Entwicklungspolitik durchzukriegen, war unser erster Gesprächspartner die CDU. Auch im Streit um die Förderung freier Träger in der Kita-Landschaft haben wir mit der CDU an einem Strang gezogen. Wenn es um die Förderung von Eigeninitiative geht, ist uns die CDU teilweise näher. Die SPD setzt da eher auf Staat und Großeinrichtungen. Da gibt es Berührungspunkte mit der CDU und da hat es auch nie Schwierigkeiten gegeben, miteinander zu reden.

Aber es gibt auch erhebliche Differenzen mit den Christdemokraten.

Bei der Inneren Sicherheit, der Ausländerpolitik und im Umgang mit Minderheiten sind die Unterschiede umso größer. Da setzt ein starker Flügel innerhalb der Christdemokraten auf Intoleranz.

Sind es vor allem die Modernisierer bei CDU und Grünen, die in vielen Punkten übereinstimmen, während linke Grüne und traditionalistische Christdemokraten größere Probleme mit Schwarz-Grün haben?

Ich würde eher sagen, es sind die Ideologen auf beiden Seiten, die mit einer schwarz-grünen Zusammenarbeit noch größere Probleme haben. Die müssen deswegen nicht Modernisierer sein. Entscheidend ist die Bereitschaft, neu zu denken, alte Gleise zu verlassen und dabei auch neue Bündnispartner zu finden.

Was versprechen Sie sich von einem schwarz-grünen Gedankenaustausch?

Zunächst erwarte ich, dass Diskussionen offener geführt werden. Außerdem werden Ende dieses Jahres mehrere Bezirksämter und Bezirksbürgermeister gewählt. Dabei werden die Grünen überlegen, wer vor Ort der bessere Partner ist. Das kann im neuen Regierungsbezirk der CDU-Politiker Joachim Zeller sein, das kann in Friedrichshain auch die PDS sein. Dieses Gebot, alle sollten miteinander reden, gilt nicht nur für die Undogmatischen in der CDU, sondern auch für die offenen Kräfte in der PDS. Deswegen führen wir die Debatte auch unter dem Stichwort Äquidistanz. Als die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD nicht vorankamen, waren wir schon kurz davor, der PDS anzubieten, mit uns zusammen über eine Tolerierung einer CDU-Minderheitsregierung zu diskutieren. Das hätte dann alle alten Frontlinien in Frage gestellt. Dazu ist es nicht gekommen, weil sich CDU und Sozialdemokraten dann doch geeinigt haben.

Was hätte die Grünen in einer CDU-Minderheitsregierung mittragen können und was nicht?

Man hätte Bedingungen an die Christdemokraten stellen können. Dann hätte man sehen können, wie Diepgen reagiert. Ob das funktioniert hätte, weiß ich nicht. Da habe ich große Zweifel, weil die Ideologen bei CDU und PDS noch in der Mehrheit sind. Aber allein so etwas einmal zu denken, hätte Bewegung in die starre Parteienlandschaft gebracht.

Nun gibt es auch bei den Grünen ein paar Ideologen. Gibt es Stimmen, die sagen, ein Bündnis mit der CDU ist für uns nicht tragbar?

Ich finde diese Position zum Teil etwas unglaubwürdig, denn die gleichen Leute, die sagen, wie schlimm die CDU ist, sagen oftmals, dass sich die SPD von der CDU fast gar nicht unterscheidet. Und wenn sich beide Parteien wirklich kaum noch unterscheiden, fragt man sich, warum redet man nur mit den einen und nicht mit den anderen.

Als ich in der Schlussphase der Koalitionsverhandlungen das Postengeschacher der SPD beobachtet habe, habe ich mich gefragt, ob das unser natürlicher Partner sein muss. Da habe ich große Zweifel.

Unsere Erfahrungen mit der CDU auf Bezirksebene zeigen, dass man mit der CDU zwar viel weniger vereinbaren kann, aber das, was sie zusagen, halten sie auch ein. Sie sind auf jeden Fall der zuverlässigere Partner.

Woran liegt das?

Wenn die Sozialdemokraten mal einen guten Tag haben, machen sie die dollsten Versprechungen. Aber wenn sie Gegenwind aus der Öffentlichkeit bekommen, knicken sie ein. Da ist mir die Klarheit der CDU lieber. Das Verhältnis zwischen Grünen und CDU ist illusionsloser und deswegen oft berechenbarer.

Bei CDU und Grünen gibt es die 68er-Generation, die damals auf verschiedenen Seiten der Barrikaden stand. Müssen die auf beiden Seiten erst abtreten, um den Weg für Schwarz-Grün freizumachen?

Ich habe den Eindruck, dass die Alt-68er bei uns schon längst aus den Gräben raus sind. Das Problem ist, dass sie leider noch Feindbilder für die Anti-68er bei der CDU sind. Wolfgang Wieland, (der langjährige innenpolitische Sprecher der Grünen, d. Red.) wird als ein Vertreter der 68er angesehen, der zu bekämpfen ist. Er selbst ist da viel offener und pragmatischer.

Haben die jüngeren Grünen ein entspannteres Verhältnis zur CDU?

Das ist keine Altersfrage. Es gibt sowohl bei den Jüngeren als auch bei den Älteren welche, die offen an die CDU herangehen. Ich würde das nicht als Generationenfrage ansehen. Bei den Jüngeren stehen Ideologiefragen aber nicht mehr so im Vordergrund wie bei den Älteren.

Man gewinnt bei den Grünen den Eindruck, dass schwarz-grünen Gedankenspiele vor allem der Versuch sind, aus der strategischen Bündnisfalle herauszukommen.

Ich finde eine schwarz-grüne Debatte vor allem für das Verhältnis zur SPD eine ganz wichtige Sache. In der SPD sind noch immer relativ viele Leute der Meinung, die Grünen seien so was Ähnliches wie die Jusos und man könne mit uns auch so umgehen wie mit den Jusos. Die SPD tut so, als gehörten wir eigentlich zu denen und hätten uns an das zu halten, was sie uns vorgeben. Eine Debatte über andere Koalitionsmöglichkeiten lockert die Abhängigkeit von der SPD.

Die Berliner CDU ist von der Spendenaffäre zwar nicht betroffen, aber ist eine schwarz-grüne Debatte damit nicht hinfällig?

Ich sehe sogar den umgekehrten Effekt. Es ist noch nicht abzusehen, welche Entwicklung die CDU durch die Spendenaffäre nimmt. Es ist durchaus denkbar, dass die CDU an dem Konflikt zerbricht und sich die liberalen, fortschrittlichen Kräfte von den Rückwärtsgewandten trennen. Dann wäre die Chance sogar eher größer für ein Bündnis.

Inwieweit ist Ihr Verhältnis zur CDU davon beeinflusst, dass Ihr Vater lange Zeit CDU-Politiker war?

Mein Vorteil ist, dass ich mit ziemlich vielen CDU-Leuten rede. Ich habe den Eindruck, dass manche CDU-Politiker mit mir vorurteilsfreier umgehen können. Weil sie sagen können, das ist kein Alt-68er, sondern der Sohn von unserem früheren Abgeordneten Bernhard Müller-Schoenau. Für mich selbst macht es gar nicht einen so großen Unterschied.

Interview: Dorothee Winden