„Ich bin der Albtraum von Al Gore“

In Michigan und in seinem Heimatstaat Arizona schlägt Herausforderer John McCain den arrivierten George Bush. Damit ist der Kampf um die republikanische Kandidatur wieder völlig offen ■ Aus Washington Peter Tautfest

Der Vorwahlkampf in den USA verspricht weiterhin eine atemberaubende Achterbahnfahrt zu werden. Am Dienstag gewann John McCain die Vorwahlen im Bundesstaat Michigan und in seinem Heimatstaat Arizona und zerstörte damit die Hoffnungen George Bushs, seinen Herausforderer schnell abschütteln zu können. In Arizona lag McCain mit 60 Prozent erwartungsgemäß deutlich vor Bush mit 36 Prozent. In Michigan betrug die Differenz mit 50 gegenüber 43 Prozent immerhin noch 7 Prozentpunkte zu Gunsten McCains.

Von besonderer Bedeutung ist McCains Sieg in Michigan. Anders als New Hampshire und South Carolina, wo abwechselnd McCain und Bush jeweils wichtige, aber wenig repräsentative Siege davontrugen, ist Michigan ein für Amerikas Bevölkerungsmix typischer Staat. Michigan, einer der bevölkerungsreichsten Staaten im Lande, verfügt über High-Tech-Industrien und bedeutende Dienstleistungssektoren ebenso wie über Landwirtschaft und traditionelle Industriezweige wie den Autobau. Rechnet man Michigans Wählerstimmung auf das ganze Land hoch, dann ist McCain der aussichtsreichere Gegenkandidat zum Demokraten Al Gore – sollte der denn seinen parteiinternen Gegenspieler Bill Bradley schlagen.

Interessanterweise gewann McCain in Michigan nicht mit den Stimmen der Republikaner, die zu 60 Prozent für George Bush stimmten, aber nur zu 47 Prozent an der Vorwahl überhaupt teilnahmen. Den Ausschlag für McCain gaben die Demokraten und Parteilosen, die in Michigans offenen Primaries – wie in New Hampshire und South Carolina – bei den Republikanern abstimmen dürfen. Ein Drittel der Wähler waren Gewerkschaftler, und die stimmten mehrheitlich für McCain. Bush ließ dann auch in seiner ersten Rede nach der Niederlage wissen, dass er offensichtlich der Kandidat der Republikaner sei, während McCain eher der Mann der Demokraten und Unabhängigen sei, die auf McCains Einladung hin die republikanische Partei übernehmen wollten. McCain feuerte zurück und sagte, er sei der Kandidat, der gewinnen könne, weil man nur mit breiten Koalitionen gewinne: „Ich bin Al Gores schlimmster Albtraum.“

Für den Fortgang der Primaries hat McCain allerdings ein Problem. Von den zwei Dutzend Vorwahlen in den nächsten Wochen sind nur die wenigsten offen. Im bevölkerungsreichen New York, wo am 7. März, dem ersten der beiden „Super Tuesdays“, gewählt wird, können Anhänger nur in den Primaries der Partei mitwählen, für die sie sich vorher als Wähler registriert haben. Im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Kalifornien, der, ebenfalls am 7. März, die meisten Delegierten zum Parteitag in Philadelphia entsendet, sind die Primaries zwar offen, die Stimmen werden aber doppelt ausgezählt, und die Zahl der Delegierten wird nur durch die Stimmen der registrierten Wähler der einen bzw. anderen Partei bestimmt. Es ist mithin nicht ausgeschlossen, dass McCain die Mehrheit der Vorwahlen gewinnt, ohne eine Mehrheit der Delegiertenstimmen zu erhalten.

McCain durchbricht mit seinem Wahlkampf eine alte Regel der republikanischen Vorwahlen, die Nixon einmal so formuliert hat: „Wer als Kandidat aufgestellt werden will, muss in den Vorwahlen nach rechts laufen. Hat man dann die Nominierung, muss man so schnell wie möglich zur Mitte zurücklaufen.“ McCain wendet sich gleich an die Mitte und schmiedet, noch bevor er überhaupt der designierte Kandidat der Republikaner ist, die parteiübergreifende Koalition, die den Kandidaten auch zum Präsidenten machen könnte. So stehen sich denn in den innerparteilichen Auseinandersetzungen der Republikaner zur Zeit zwei Strategien gegenüber: Bush will die Parteibasis festigen und die Mitgliedschaft mobilisieren, weshalb er in South Carolina auch die christliche Rechte hofierte. McCain will eine parteiübergreifende Bewegung für Reformen mobilisieren – und Bush bekam die Quittung für seinen Flirt mit der äußersten Rechten.

Bush hat trotz der Niederlage in Michigan gute Chancen, die Nominierung der Republikaner zu gewinnen. McCains Strategie eignet sich eher für den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen. Würde morgen in Amerika gewählt, würde McCain sogar mit 24 Prozent Vorsprung vor Al Gore gewinnen, Bush hat dagegen vor Gore nur einen Vorsprung von 5 Prozent.

Ganz überschattet vom republikanischen Wahlkampf wird der Wettlauf um die demokratische Kandidatur zwischen Al Gore und Bill Bradley, die sich am Montag im traditionsreichen Harlemer Apollo-Theater, wo ehedem Charley Parker und Dizzy Gillespie auftraten, ein Rededuell vor vorwiegend schwarzem Publikum lieferten, bei dem Al Gore minimal besser abschnitt.