Dämonie im Taschenformat

■ Verhängnisvoller Spagat: „Der Freischütz“ im Allee-Theater

In einer Kammeroper wie dem Allee-Theater liegt die jeweilige Opernführung wie unter einem Mikroskop. Steht wie jetzt mit Carl Maria von Webers Der Freischütz eine nicht gerade handliche romantische Oper auf dem Spielplan, ist eine des spannendsten Fragen: Wo-rauf richtet der Regisseur das Mikroskop? Roman Hovenbitzers Neuinszenierung fahndet fieberhaft nach neuen Detailaufnahmen, jedoch leider ohne vom Panoramablick auf das Werk lassen zu können. Ein verhängnisvoller Spagat.

Dass Hovenbitzers Inszenierung trotz handwerklichen Geschicks über weite Strecken erschreckend konventionell daherkommt, darüber kann auch sein nicht wenig provokantes Happy End im Irrenhaus nicht hinwegtäuschen. In der Wolfsschlucht wallt der Nebel, UV-Lichtblitze gemahnen an die Dorfdisko, und aus dem Bühnenhimmel ergießt sich ein allzu schmaler Wasserfall, während das Gießen der Freikugeln zum schalen Tischfeuerwerk verkommt: unfreiwillig-komische Dämonie im Taschenformat.

Hovenbitzers Inszenierung wirkt so, als wolle sie es allen Recht machen: Dem traditionellen Freischütz-Liebhaber wie dem Anhänger innovativen Musiktheaters. Letzteren hatte der Regisseur wohl im Sinn, als er den Showdown der Oper in die geschlossene Anstalt verlegte. Der fromme Eremit mutiert zum Nervenarzt, der Max noch ein Jahr dabehalten möchte. Während dieser entrückt in den Armen von Braut Agathe liegt, geht die Dorfgemeinschaft inklusive Bösewicht Kaspar zum Leichenschmaus auf Agathens Sarg über. Hier konfrontiert Hovenbitzer die Freischütz-Urfassung aus dem Gespensterbuch von 1810 mit der glücklich endenen Version von Weber.

Starke Momente hat die Neuproduktion in den mikroskopisch-intimen Szenen, die vor allem der Figur der Agathe vorbehalten sind. In der Premierenaufführung sang Anne Knoche mit anrührender Innigkeit diese Partie. Umsichtig und zunehmend gelöster dirigierte Malte Kroidl seine respektable Freischütz-Kammerversion. Doch generell gilt: Es gibt dankbarere Werke für eine Kammeroper. Dagmar Penzlin

weitere Aufführungen: Di, Mi, Fr, Sa, jeweils 20 Uhr; So, 19 Uhr; bis 30. Mai