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Oh wie schön ist Vagina! ■ Von Wiglaf Droste
Wenn ein Buch „Die Vagina-Monologe“ heißt, möchte man das natürlich sofort lesen (Eve Ensler: „Die Vagina-Monologe“, Edition Nautilus, Hamburg). Schwanzdialoge hätten den Leser womöglich kalt gelassen, aber Vagina-Monologe? Da lauscht man gern und mit aufrichtiger Neugier. Und wird schon von der Widmung hineingerissen in die wilde Welt der Vagina: „For Ariel, who rocks my vagina and explodes my heart“. Denn Ariel rockt nicht nur sauber, sondern rein.
„Vagina. Jetzt habe ich es ausgesprochen. Vagina. Und nochmal. Ich habe in den letzten drei Jahren dieses Wort immer wieder ausgesprochen“, begeistert sich Ensler, und scheu verneigt man sich in Ehrfurcht. Wer den lieben langen Tag immerzu „Vagina, Vagina, Vagina“ vor sich hin trötet, wurde vom großen Manitou mit besonderen Gaben ausgestattet.
Um Religion geht es, ums Glauben, und das geht nicht ohne tatsächliches oder auch nur eingebildetes Verfolgtsein. Wenn man sich nicht verboten und verfemt wähnen kann, macht das ganze Gläubischsein keinen Spaß. „Vagina. Ich spreche es aus, weil es ein unsichtbares Wort ist“, schreibt Ensler, „ein Wort, das Angst, Verlegenheit, Verachtung und Ekel hervorruft.“ Das ist zwar gelogen, muss aber wahr sein, denn sonst könnte Eve Ensler die Welt nicht heilen, und das will sie unbedingt.
„Hier ist der Ort, um es laut auszusprechen, denn wir wissen, es ist das Wort, das uns weiterbringt und uns frei macht. Vagina.“ Vagina macht frei? Liefe ein Mann herum und erzählte, das Wort Penis bringe ihn und die Menschheit weiter, man zeigte ihm den Vogel. Die Frau aber, die „Vagina!“ in die Welt hinauspredigt, sieht sich als Befreierin, als Heldin. Mit Dr. Sommer gesprochen: Quod licet Vagina, non licet Penis.
Auch das gute alte Menstruationskollektiv Rotfront wird wiederbelebt. „Mit vielen Frauen führte ich Gespräche über die Menstruation. Daraus formte sich langsam so etwas wie ein Chor, eine Art leidenschaftlicher kollektiver Gesang. Die Frauen waren sich gegenseitig das Echo. Also ließ ich die Stimmen ineinander bluten, und ich ging im Fließen des Blutes verloren.“
Zuweilen gerät man schier ins Staunen darüber, was die Möse alles kann: „Meine Vagina singt die Lieder der Mädchen, die Lieder mit dem hellen Klang der Ziegenschellen, die stürmischen Lieder der herbstlichen Felder, Vagina-Lieder, vertraute Lieder meiner Vagina.“ Häufig sind die Komplimente eher zweifelhafter Art: „Meine Vagina war ein lebendiges feuchtes Wasserdorf. Meine Vagina war schwatzhaft. Meine Vagina war grün, Wasser, weichrosa Felder, eine Kuh, Muhen ...“ Eve Ensler kann den Muttermund nicht halten. Was raus muss, muss raus, auch das finale Vaginalpoem: „Das Herz ist in der Lage zu opfern. / Wie die Vagina auch. / Das Herz ist fähig zu vergeben und / wiedergutzumachen. / Es kann seine Form verändern, / um uns hereinzulassen. / Es kann sich ausdehnen, um uns herauszulassen. / Wie die Vagina auch. / Es kann Schmerzen auf sich nehmen für uns / und sich / anstrengen für uns, sterben für uns / und bluten, uns / herausbluten in diese schwierige / Welt. / Wie die Vagina auch.“
Wenn das Muttermündchen spricht, sagt es: Hallo, Sackgesicht.
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