■ In der EU sind Belgien und Frankreich die Speerspitze der Anti-Haider-Truppen. Aber auch im Alltag haben Österreicher nichts zu lachen. Zimmervermietung? Nicht an einen aus Haider-Land. Wäsche reinigen? Nur für Nichtösterreicher. Einkaufen? Alles ausverkauft
: Österreicher hier nicht erwünscht

Nur Ahnungslose oder Trotzige kurven derzeit mit dem „A“ für Austria auf dem Auto durch Brüssels Straßen. Alle andern haben das „Pickerl“, wie es im Volksmund heißt, abmontiert oder verstecken ihr Auto in der Tiefgarage. Wer sich hier als Österreicher zu erkennen gibt, riskiert mindestens durchstochene Reifen.

Offiziell wiegelt die österreichische EU-Botschaft ab. Die Lage in Belgien habe sich beruhigt, auch Schmähanrufe würden schon etwas seltener. Ein therapeutisches Treffen mit den Landsleuten, die in der EU-Kommission arbeiten, hielt man aber doch für angebracht. Ihnen wurde geraten: Nicht provozieren lassen. Der Sturm geht vorüber. Und viele nutzten diese Gelegenheit, sich mal unter Freunden auszuheulen.

Nirgendwo sonst können sie darüber reden, was es derzeit für ein Gefühl ist, in der bunten Brüsseler EU-Gemeinde plötzlich ein Paria zu sein. Seit der belgische Außenminister mit seinem „Ski-Haider!“ das Österreicher-Mobbing salonfähig gemacht hat, treibt der Volkszorn Blüten – nicht nur bei belgischen Bewohnern der EU-Hauptstadt. Zwei junge österreichische Praktikantinnen, die zu einem Treffen ihrer Kommissionsabteilung zu spät kommen, werden von der Versammlung seriöser Herren mit „Heil Hitler!“ begrüßt. Im EU-Parlament zieren Hakenkreuze die Plakate der FPÖ. Eine Mitarbeiterin im Parlament, die ihr Zimmer an eine österreichische Freundin weitergeben will, weil ihr Vertrag in Brüssel endet, bekommt von der Vermieterin eine Absage: An Österreicher vergebe sie keine Zimmer mehr.

Im österreichischen Kultusministerium will man nicht bestätigen, dass EU-Projekte im Bildungsbereich zu scheitern drohen, weil Eltern ihre Kinder nicht mehr nach Naziland zum Austausch schicken wollen. Dabei steht schon in österreichischen Zeitungen, dass Margit Heissenberger von der Koordinationsstelle für EU-Bildungsprogramme sich beschwörend an belgische Eltern wendet. Sie erinnert daran, dass viele vom Boykott bedrohte Jugendliche noch nicht einmal wahlberechtigt sind. In Innsbruck ist ein Kongress mit 2.500 Tropenmedizinern geplatzt.

Die Parole der österreichischen Diplomaten in Brüssel aber heißt: Business as usual. Nicht alles dadurch noch schlimmer machen, dass man es in die Öffentlichkeit trägt. Die Geschichten dringen trotzdem nach außen: Ein Kommissionsmitarbeiter bekommt sein Paket aus der Wäscherei schmutzig wieder in die Hand gedrückt: „Für Sie wird hier nicht mehr gewaschen.“ Ein anderer hört in seinem bevorzugten Tante-Emma-Lädchen den Satz: Für Sie ist die Ware aus – jede Ware. Eine Diplomatenfrau wird in ihrem Sprachkurs von einer Belgierin mit der triumphierenden Mitteilung begrüßt, die Familie habe ihren Skiurlaub in Österreich storniert.

Gespräche mit Österreichern in Brüssel laufen dieser Tage nach demselben Muster ab wie deutsch-deutsche Unterhaltungen in der Nachwendezeit: Ein verquastes Gemisch aus misstrauischer Zurückhaltung, ungefragtem Bekenntnis zur FDGO und trotzigem Verteidigen von Positionen, denen der Gesprächspartner eigentlich gar nicht zuneigt.

Regina Scheichl, Mitarbeiterin im Büro des grünen Europaabgeordneten Özan Ceyhun findet die belgische Reaktion „ziemlich krass“. Statt jetzt klug zu reden, hätten die Europäer lieber vorher den Österreichern zuhören sollen. „Ich hab diesen Typen seit Jahren immer höher steigen sehen – und keiner hat was dagegen gemacht.“

Bei belgischen Künstlern und Intellektuellen deutet sich in den letzten Tagen allerdings eine Wende an. Der belgische Dirigent Gérard Mortier, der nach der Regierungsbildung in Österreich angekündigt hatte, im September die künstlerische Leitung der Salzburger Festspiele niederzulegen, hat inzwischen seine Haltung überdacht. Er will nun doch seinen Vertrag erfüllen, der erst ein Jahr später ausläuft. Es sei wichtig, den Widerstand gegen Haider zu unterstützen. Die große Demonstration am 19. Februar habe ihn beeindruckt, sagte Mortier der Zeitung La Libre Belgique.

Ähnlich äußerten sich Teilnehmer einer Podiumsdiskussion in der Brüsseler Universität. Der Boykott habe wie ein „Elektroschock“ seine Wirkung getan. Nun müsse es darum gehen, die demokratischen Kräfte in Österreich zu stärken. Als der Wiener Politologe Erich Fröschl sagte, eine Gleichsetzung von Haider mit Hitler sei „bullshit“, gab es zögernden Beifall. Im Brüsseler Alltag scheinen für Österreicher die härtesten Zeiten vorbei zu sein. Ein Botschaftsmitarbeiter berichtete stolz, seine beiden Nachbarinnen hätten bei ihm geklingelt und ihm versichert, sie könnten ihn weiterhin gut leiden, obwohl er Österreicher sei.

Daniela Weingärtner, Brüssel