piwik no script img

Alles Wiener Walzer oder was?

Gegen den Wiener Opernball ist der Ball der Ölbarone in Dallas ein Treffen von Parvenüs. Nachdem das Fest in den letzten Jahren zu einem Event für Klatschpostillen verkommen war, sollte in diesem Jahr endlich alles wieder besser werden: Statt Fasching wieder altes Flair, Klasse statt Talmi war das Ziel. Doch dann kam die Regierungsbeteiligung der völkischen FPÖ, und auf einen Schlag ist nichts mehr wie es sein sollte. Zum Kummer der Opernballfreunde sagten reihenweise Weltstars ihre Teilnahme am berühmtesten Tanz der Welt ab. Ein Vorbericht über die verdorbene Vorfreude an der Donau von Susanne Reinhard-Karlmann

In Österreich, genauer: in Wien, geht’s wieder mächtig rund: „Alles Walzer!“ heißt das Motto und steht für den Höhepunkt des Wiener Faschings: Beim Philharmonikerball, Jägerball, Kaffeesiedlerball, Bauernbundball drehen sich Wiener, andere Österreicher, special guests und Touristen, berauscht von Walzerklängen auf dem Parkett umeinander. Die Krönung und der Höhepunkt dieses gesellschaftlichen Treibens ist der Wiener Opernball, der traditionell am Donnerstag vor Rosenmontag stattfindet, in diesem Jahr am 2. März.

Seine Fans nennen ihn mit großer Genugtuung den „Ball der Bälle“, das gesellschaftliche Großereignis schlechthin, eine strahlende Vision internationalen Gesellschaftslebens, das weltweit Anerkennung genießt und begehrt ist wie kein zweites. Er „erweckt in aller Welt den Wunsch, auch einmal dabei zu sein“, heißt es ohne falsche und auch nur unangebrachte Bescheidenheit in der Opernballbroschüre.

In der Tat, der Wiener Opernball ist ein must, nicht nur bei den Wienern. „Das ist doch ganz selbstverständlich“, erklärt Elisabeth Gürtler, Organisatorin des Opernballs und Chefin des Hotel Sacher. „7.100 Gäste und das Ambiente der Wiener Staatsoper machen diesen Ball zu einem einzigartigen Ereignis, das seine Attraktivität und Anziehungskraft über ganz Österreich und über seine Grenzen hinaus versprüht.“ Da können andere Hochburgen österreichischer Kultur nicht mithalten: „Wollte man einen vergleichbaren Ball in Salzburg veranstalten, würde er bei weitem nicht an unseren heranreichen“, sagt sie mit diesem typisch wienerischen Ton vornehmer Herablassung.

Zum Reiz des Opernball gehört, dass am Abend der Abende Tabus gebrochen werden: „Die Gäste feiern und tanzen dort, wo an allen anderen Tagen im Jahr Vorstellungen laufen, sie tanzen, flanieren, essen und trinken auf den Haupt-, Hinter- und Nebenbühnen, in den Solistengarderoben, sie haben dort Einlass, wo sonst niemand hin darf.“

Und natürlich ist der Wiener Opernball ein Ball der Eitelkeit. „Welcher Ball ist das nicht?“, kontert Elisabeth Gürtler die Frage nach überbordendem Kitsch und danach, ob sich hier die Wohlstandsgesellschaft selbst feiere. „Wann hat man schon die Gelegenheit, so elegant auszugehen? Die besten Kleider werden rausgesucht, der schönste Schmuck angelegt.“ Das sei bei allen Bällen so. Basta.

Unter der neuen Leitung von Staatsoperndirektor Ioan Holender und der Zeremonienmeisterin Gürtler soll der Ball nicht mehr einer überkandidelten Gesellschaftsshow ähneln. Klasse statt Masse sei das Ziel. Das leuchtet ein. In jüngster Zeit hatten die Veranstalter durch die persönlichen Gäste des Wiener Bauunternehmers Richard Lugner, etwa Dolly Buster, Hohn und herbe Kritik einstecken müssen. Vielmehr soll der Ball wieder ein strahlendes Künstlerfest werden, dem Würde und Niveau ebenso erhalten bleiben wie seine ausgelassene Festlichkeit.

Im Mittelpunkt sollen die Ehrengäste der Veranstalter stehen: Künstler, die auf den großen Theater- und Opernbühnen zu Hause sind und eine besondere Bindung an die Wiener Staatsoper haben. Die Einladung bekommen und zugesagt haben neben anderen Größen der Opernwelt Christa Ludwig, Neil Shicoff und Boje Skovhus. Zudem ist der Wiener Opernball per Ministerratsbeschluss zum Ball der Republik erhoben worden, das heißt, den Ehrenschutz (die Schirmherrschaft) hat der Bundespräsident der Republik Österreich, Thomas Klestil. Er, seine Ehrengäste, die Regierung und die Ehrengäste der Veranstalter werden mit entsprechender Würdigung und Würde in einem Defilee in die Staatsoper einziehen.

Einer Tradition folgend, ist der Wiener Opernball einem Motto gewidmet, dieses Jahr dem Land Portugal. Anlass ist dessen derzeitige Ratspräsidentschaft in der EU. Der portugiesische Staatspräsident Jorge Banco de Sampaio, eigentlich zu der Zeit auf Staatsbesuch in Österreich, sollte Ehrengast des Bundespräsidenten sein. Portugiesisch wäre es weiter gegangen: Das Ensemble Madredeus hätte den portugiesischen Eröffnungsgruß dargeboten, umrahmt von 1.100 Orchideen aus Madeira. Alles Walzer, alles Portugal: ebenso die Sträußchen für die Debütantinnen, ein Geschenk Lusitaniens.

Es hat alles so schön werden sollen! Und es hätte auch alles so schön sein können! Aber es gibt Probleme. Die neue politische Großwetterlage in Österreich, die Regierungskoalition zwischen der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) des Jörg Haider, hat nicht nur zu einer einer in der Geschichte der Europäischen Union beispiellosen politischen Isolierung Österreichs geführt, sondern auch so manchem die Walzerseligkeit verhagelt, was manchen Opernballfreunden als schlimmste Folge der FPÖ-Regierungsteilhabe vorkommt: Catherine Deneuve, zwar privater und nicht Ehrengast, hat öffentlich abgesagt: Sie wolle Haider nicht begegnen. Ebenso Claudia Cardinale, auch sie privater Gast: Sie wolle nicht, erklärte sie, zum Spielball politischer Interessen werden.

Josef Haslinger, Autor des gerühmten Romans „Opernball“, hat keine profilierte Meinung zum Ereignis selbst: „Einmal wurde ich vom Bundeskanzler Franz Vranitzky eingeladen, die Einladung habe ich aber nicht angenommen, weil ich nicht sein Aufputz sein wollte. Dieses Jahr bekam ich eine Einladung von einer schweizerischen Wochenzeitung. Auf die habe ich auch verzichtet. Ich will mich nicht politisch einsortieren lassen.“

Auch Jorge Banco de Sampaio, portugiesischer Staatspräsident und fest gebuchter Ehrengast von Präsident Thomas Klestil, hat seinen Verzicht erklärt. Und zwar nicht nur auf den Besuch des Opernballs, sondern gleich auf den gesamten Staatsbesuch. Dass dies politische Gründe habe, wird gemunkelt, aber weder dementiert noch bestätigt. Das Ensemble Madredeus sagte ab – nach einer Begründung hat sich Elisabeth Gürtler aus lauter Kummer gar nicht erst erkundigt. „Das macht man dann doch nicht“, heißt es lapidar im Pressebüro. Die kulinarischen Grüße gibt es, die Orchideen aus Madeira werden das Haus auch schmücken. Ob sie Geschenk bleiben oder aber bezahlt werden müssen, ist für alle Beteiligten noch unklar.

Auch das Palast Orchester mit seinem Sänger Max Raabe sieht sich in der Zwickmühle. Vor einem dreiviertel Jahr bekamen die Musiker die Einladung, auf der Großen Bühne zu spielen, und sagten zu. Die Schar der Fans in Wien und Österreich schien ihnen allzu bemerkenswert. Nun überlegt man in Berlin ein wenig um: Wem nützt und wem schadet eine Absage jetzt? Natürlich möchte niemand die Fans enttäuschen – und trifft eine Absage wirklich die, denen sie gilt?

Noch nie, sagen die Mitglieder des Palast Orchesters, hätten sie auf (partei-) politischen Veranstaltungen gespielt und sich den Interessen von Veranstaltern gebeugt. Bleibt die Frage: Ist der Wiener Opernball eine solche Veranstaltung? Wie die Entscheidung auch immer ausfällt: Aus dem Walzer scheint in diesem Jahr ein Eiertanz zu werden.

Elisabeth Gürtler ist nicht begeistert von diesen „Nebenwirkungen“, aber sie bemüht sich, Politik und Kultur strikt voneinander zu trennen. Mit Demonstrationen zur aktuellen politischen Lage rechnet sie auch nicht: „Es hat immer Demonstrationen gegen den Opernball gegeben. Das wissen wir, und daran haben wir uns gewöhnt. Aber einen besonderen politischen Protest erwarten wir nicht.“

So ganz eingängig ist ihr die Aufregung auch nicht: Jörg Haider habe dreißig Prozent der österreichischen Bevölkerung hinter sich, „man ist ja schließlich demokratisch“. Im Übrigen sei er weder privater noch Ehrengast der Veranstalter oder des Bundespräsidenten. Es sei nicht bekannt, dass er am Ball teilnähme.

Wenn er aber doch käme, wäre er eine Privatperson wie jeder andere Gast auch. „Niemand würde ihm den Eintritt verwehren oder ihm anraten, wieder zu gehen. Dann kommt er als Privatperson.“ Am vorigen Wochenende kam es vor einem Wiener Restaurant, in dem Jörg Haider mit seiner Familie saß, zu ganz und gar indezenten Szenen. Nur unter Polizeischutz konnte er mit seiner Familie das Lokal verlassen. Gesetzt den Fall, Haider käme doch, würde Elisabeth Gürtler, so beteuert sie, eher einen Eklat während des Balles in Kauf nehmen als Haider den Eintritt zu verwehren. Aber „das sehe und befürchte ich nicht“.

Josef Haslinger hält einen Eklat oder eine Protestkundgebung gegen Haider, seine FPÖ und deren Regierungsbeteiligung bei dem Ball selber nicht für wahrscheinlich: „Ich glaube nicht, dass dafür jemand Geld ausgibt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen