Juristen streiten über Strieders Rechtsverstöße

Pflichtverteidiger aus der großen Koalition stehen im Parlament dem SPD-Senator bei

Das Parlament als virtueller Gerichtssaal: Bei der Debatte über Politiker-Freiflüge und Geschenk-Affären saßen am Donnerstagabend mit SPD-Senator Peter Strieder und der grünen Fraktionschefin Renate Künast zwei Juristen auf der Anklagebank. Zur Verteidigung Strieders hatte die große Koalition zwei Rechtsanwälte aus den eigenen Reihen aufgeboten. Auch die Opposition schickte ihre Juristen vor: Als Chefankläger trat der grüne Fraktionschef Wolfgang Wieland auf, sekundiert von PDS-Fraktionsvize Jan Spindler, einem Jura-Studenten.

Wieland hielt Strieder seine Dienstflüge auf Firmenkosten und die Annahme eines 900 Mark teuren elektronischen Organizers beim Focus-Pressefest vor. Damit habe er gegen die Verwaltungsvorschrift verstoßen, wonach Beschäftigte im Öffentlichen Dienst keine Geschenke entgegennehmen dürfen. Strieder habe zudem die Öffentlichkeit belogen. Das werfe die Frage auf, ob er für das Amt des Senators geeignet sei, so Wieland. Seiner Fraktionskollegin Renate Künast, die ebenfalls eine Geschenktüte mit dem Minicomputer angenommen hatte, hielt Wieland zugute, dass sie keine Vorschriften verletzt habe. Zudem sei sie von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen.

Strieders Verteidiger hatten sich auf eine einheitliche Strategie geeinigt: Dem Senator sei lediglich „Nachlässigkeit“ vorzuwerfen. „Er hat sich entschuldigt, das muss genügen“, sagte der CDU-Abgeordnete Michael Braun. Mahnend fügte er hinzu, dass Strieder das Geschenk sofort und nicht erst später hätte zurückgeben müssen. Politiker müssten jeglichen Anschein vermeiden, dass ihr Handeln durch Geschenke beeinflusst werde. Nach den kritischen Worten des Pflichtverteidigers fiel die eigentliche Verteidigung dem SPD-Abgeordneten Klaus-Uwe Benneter zu. Ihm gelang es denn auch, den Parteifreund mit einem verbalen Kunstgriff freizusprechen: Strieder habe sich „an das Gesetz gehalten“. Den Verstoß gegen die Vorschriften unterschlug Benneter geflissentlich.

Es blieb dem fraktionslosen, früheren CDU-Abgeordneten Ekkehard Wruck vorbehalten, die große Koalition an ihr 1995 verabschiedetes Anti-Korruptionsgesetz zu erinnern. Die Annahme von Geschenken und Dienstflügen auf Kosten Dritter sei danach nicht zulässig. Dass PDS und Grüne dem ultrarechten Wruck ausnahmsweise kräftig applaudierten, sorgte in den CDU-Reihen für Heiterkeit. Der Antrag der Bündnisgrünen, die Verhaltensregeln für Abgeordnete um eine Geschenkregelung zu ergänzen, wurde in den Rechtsausschuss überwiesen. Dorothee Winden