Der Faktor Bund ■ Neue Allianzen im neuen Berlin

Was auf den ersten Blick wie ein potenzieller Konflikt erscheint, könnte noch eine pragmatische Wende nehmen: Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) hält am Bau der Kanzler-U-Bahn fest. Sein Parteikollege, der Berliner Verkehrssenator Peter Strieder, hat sich davon bereits verabschiedet, nachdem das DIW die Fahrgastprognose deutlich nach unten korrigiert hatte.

Die beiden SPD-Verkehrspolitiker eint ein gemeinsames Ziel: die Lösung der Verkehrsprobleme im Regierungsviertel. Bei der Abwägung zwischen den hohen Kosten der U-Bahn-Linie und dem Bedarf könnte sich auch der Verkehrsminister umstimmen lassen. Noch dazu haben die Berliner Grünen bessere und billigere Alternativen in der Tasche. Die Vorschläge der Oppositionspartei könnten bei einem Mitglied der rot-grünen Bundesregierung eher auf offene Ohren stoßen. So ergeben sich Möglichkeiten für ganz neue Allianzen.

Das bekam zu Beginn der Woche bereits CDU-Innensenator Eckart Werthebach zu spüren. Seinen Vorschlägen zur Einschränkung des Versammlungsrechts zeigte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion die rot-grüne Karte.

Doch nicht immer verlaufen die Bündnisse im neuen Berlin entlang der Parteiengrenzen. CDU-Kultursenatorin Christa Thoben machte sich einen Vorstoß von SPD-Kulturstaatsminister Michael Naumann zunutze, um den Berliner Kulturbetrieb aufzuräumen – eine Aufgabe, die ihr Amtsvorgänger Peter Radunski (CDU) auf die lange Bank geschoben hatte.

Die Befürchtungen der Berliner, dass sich die Bundesregierung – gleich welcher Coleur – in anmaßender Weise der Stadt bemächtigen könnte, haben sich bislang nicht bestätigt. Dort, wo sie sich in den letzten Monaten eingemischt hat, war die Intervention sogar hilfreich. Sie brachte festgefahrene Berliner Konflikte in Bewegung. Der Bundesregierung könnte damit die Rolle zufallen, pragmatischen Entscheidungen zum Durchbruch zu verhelfen. Gelegenheiten wird es noch viele geben: etwa die Schließung des Brandenburger Tores für den Verkehr oder die Zukunft von Stadtschloss und Palast der Republik.Dorothee Winden