Keine Ausbildung, keine Fachkräfte

In der Multimedia-Branche gibt es mehr als 4.000 freie Stellen

Die Berliner Unternehmen der Multimedia-Branche sind selbst schuld, wenn sie keine geeigneten Fachkräfte finden. Darin sind sich Landesarbeitsamt und der Deutsche Gewerkschaftsbund einig. Für die Forderungen nach Anwerbung ausländischer Spezialisten haben sie daher kein Verständnis.

„Die Unternehmen haben nicht ausgebildet, aber nun schreien sie nach ausgebildetem Personal“, sagt DGB-Sprecher Dieter Pienkny. Die Firmen hätten längst ausbilden müssen. Eine Qualifizierungsoffensive des Senats hätte einen Fachkräftemangel in der Branche verhindern können. Mehr als 25.000 Arbeitslose seien weiterbildungsfähig, so Pienkny.

Das Landesarbeitsamt hat für solche Qualifizierungen in diesem Jahr 170 Millionen Mark eingeplant. Das ist ein Zehntel der Gelder, die überhaupt für Umschulungen zur Verfügung stehen. 5.000 Arbeitslose sollen dadurch demnächst in die boomende Branche vermittelt werden. Darüber hinaus kann Arbeitsamt-Sprecher Klaus Pohl nur schwer einen Mangel an Fachkräften erkennen. 216 Stellenangebote liegen der Behörde vor. Pohl geht geht allerdings davon aus, dass nur ein Drittel der Firmen ihre freien Stellen dem Arbeitsamt meldeen. Und könnte sich damit täuschen: Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat 4.000 freie Stellen in der Branche gezählt – hauptsächlich Software-Entwickler und Programmierer. „Jedes zweite Unternehmen sucht“, sagt IHK-Sprecher Egbert Steinke.

Zum Beispiel die Firma Novedia System. Das Unternehmen ist nach Angaben von Firmenprojektkoordinator Enno Peter gezwungen, Aufträge in Millionenhöhe abzulehnen, weil es kaum Fachkräfte findet. Azubis kann die Firma solche Aufträge nicht anvertrauen. Auch Hochschulabgänger mit entsprechenden Kenntnissen sind nicht gefragt. Peter: „Denen fehlt die Projekterfahrung.“ Das Unternehmen hat bereits Verbindungen zu einer Hochschule in Polen geknüpft.

Die Beschäftigung von Nicht-EU-Ausländern ist allerdings kompliziert: Erst wenn sich auf eine offene Stelle wochenlang kein geeigneter „Bevorrechtigter“ meldet, darf jemand anderes ran. „Bevorrechtigte“ sind Deutsche, EU-Bürger und Ausländer mit besonderer Arbeitserlaubnis. Arbeitskräftemangel herrscht laut Landesarbeitsamt aber nicht nur in der Multimedia- und Computer-Branche: Auch Spezialitätenköche würden ständig gesucht.

Dirk Hempel