Tadschikistan testet eine islamische Partei

Am Sonntag tritt erstmals bei Wahlen in Zentralasien eine islamische Partei an

Berlin (taz) – Morgen blicken sämtliche Länder der Ex-Sowjetunion gebannt auf Tadschikistan. Denn bei den Wahlen in der kleinsten und ärmsten GUS-Republik tritt die Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIW) an. Das ist ein Testfall für die gesamte Region, in der islamische Parteien sonst verboten sind und hart verfolgt werden. In Usbekistan und Kirgistan operieren bewaffnete Islamisten, die vor einem Jahr den usbekischen Präsidenten Islam Karimowmit bei einem Bombenanschlag nur knapp verfehlten. Diese Gruppen sind paradoxerweise Abfallprodukte des tadschikischen Bürgerkriegs zwischen Postkommunisten und einer islamisch-demokratischen Allianz, der 1992 bis 1996 bis zu 60.000 Todesopfer forderte. Die Wahl in Tadschikistan wird nach einem von Gewalt überschatteten Wahlkampf jetzt zum Maßstab für den Rückhalt islamischer Gruppen.

Die regierende Demokratische Volkspartei (DVP) von Präsident Emomali Rahmonow – die national gewendete KP-Nachfolgerin – und die islamische PIW gelten als Favoriten. Für eine Überraschung könnte die neu gegründete Kommunistische Partei sorgen, deren Parallele am vorigen Wochenende im benachbarten Kirgistan stärkste Partei wurde. Für einen Paukenschlag sorgte der stellvertretende PIW-Chef Hadschi Akbar Turadschonzode, der bis zum Bürgerkrieg Oberster Geistlicher des Landes war. Er rief in einem Artikel ausgerechnet dazu auf, für die regierende DVP zu stimmen. Er befürchte, dass es bei einem Wahlsieg seiner Partei zur Konfrontation zwischen Exekutive und Legislative komme. Zudem kritisierte er die Wahlwerbung der Partei, die sie mit „dem Islam“ gleichsetzte und Stimmen für andere damit zu „antiislamischen“ mache.

Turadschonzode gehört zum gemäßigten Flügel der islamischen Partei und ist für eine Beibehaltung des säkularen Staatsprinzips. Bereits vor der Präsidentenwahl im November hatte er Streit mit Parteichef Abdullo Nur, weil er dessen damaligen Boykottaufruf als friedensgefährdend abgelehnte. Nuri ließ ihn aus der Partei werfen, musste dies aber revidieren, nachdem PIW-Provinzorganisationen sich auf die Seite des Hadschi gestellt hatten. Die Präsidentenwahl gewann der Postkommunist Rahmonow mangels substanzieller Gegenkandidaten mit über 96 Prozent der Stimmen.

Thomas Ruttig