Schwache Nerven, schwache Basis, schwaches Profil

Die Landesdelegiertenkonferenz der Brandenburger Grünen zeigte: Die Partei ist westdominiert und droht zu einer Liebhaberpartei ohne jegliche Bedeutung zu werden

Potsdam (taz) – Die Brandenburger Bündnisgrünen haben recht eigenwillige Vorstellungen vom Rotationsprinzip. Nur drei Stunden nachdem die Landesdelegiertenkonferenz am Sonnabend den 58-jährigen Roland Vogt in die Doppelspitze gewählt hatte, verabschiedete sich seine Co-Sprecherin Inke Pinkert-Sältzer aus dem Amt. Dabei hatte sie am Vormittag noch einen „Aufbruch“ angekündigt.

Der Anlass für den Meinungswechsel: Die Delegierten beschlossen, die Zahl der Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle von drei auf zwei zu reduzieren. Pinkert-Sältzer empört: „Das kann ich nicht verantworten.“

Der eigentliche Grund für den Stimmungswechsel ist allerdings die andauernde Erfolglosigkeit. 1994 und 1999 scheiterten die Bündnisgrünen bei den Landtagswahlen an der Fünf-Prozent-Hürde. Nun fehlen die staatlichen Zuschüsse. Auch die Extratransfers der Bundesspartei für die ostdeutschen Landesverbände gibt es seit diesem Jahr nicht mehr.

Aus lauter Verzweiflung träumt Roland Vogt davon, die Not „mit den Strafmillionen aus der CDU-Spendenaffäre“ zu lindern. Der Veteran der Umweltbewegung, 1982 Mitglied der ersten grünen Bundestagsfraktion, ist wie Pinkert-Sältzer zugewanderter Westdeutscher. Ostkandidaten gab es bei der Landessprecherwahl nicht.

Die Zeiten waren schon einmal besser. Anfang der 90er-Jahre stellte die Partei noch zwei Minister in Potsdam. Doch die Promis der Gründerjahre haben die Brandenburger Bündnismannschaft nach dem Zusammenschluss mit den Grünen verlassen. Matthias Platzeck wechselte zur SPD, Günther Nooke zur CDU, Marianne Birthler ging nach Berlin zurück. 530 Mitglieder hat der Landesverband derzeit, während des Kosovokriegs sind etwa 50 ausgetreten.

Seither herrscht endgültig Agonie – bei der Landtagswahl im letzten September erreichte die Partei 1,9 Prozent. Die Brandenburger Basis besteht zu großen Teilen aus metropolenmüden Ex-Berlinern, die ihr Glück in der märkischen Heide gefunden haben. Die Hochburg der Partei ist jedoch Potsdam. In der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt ist man mit vier Vertretern überdurchschnittlich präsent. Darüber hinaus sitzen die Bündnisgrünen noch in allen Kreistagen – Brandenburgs Kommunalverfassung kennt keine Fünf-Prozent-Hürde. Dennoch – die Partei führt weitgehend ein Phantomdasein.

Am Wochenende wurde kess ein schnellerer Atomausstieg von der Bundespartei gefordert und auch die Trennung von Amt und Mandat abgelehnt. Doch ein eigenes Profil ist schwer erkennbar.

„Wir haben lange überlegt, ob wir Ostschwerpunkte brauchen. Jetzt setzen wir wieder auf das Urthema Umwelt, damit werden wir nun mal identifiziert“, sagt Jens Dörschel, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. Mit Ökopositionen aber haben es die Grünen nicht leicht in Brandenburg. Das Nationalparkprogramm läuft unter SPD-Regie, das einzige Atomkraftwerk in Rheinsberg ist längst abgeschaltet, die Braunkohletagebaue der Lausitz lassen sich als Existenzgrundlage einer ganzen Region schwer wegdiskutieren.

Bleibt die Aktion „Grüner Strom“. Die Parteimitglieder sollen losziehen und Verbraucherhilfe bei der Suche nach alternativen Energieangeboten leisten.

Ganz wollte man sich allerdings doch nicht von den sozialen Fragen verabschieden. Die Partei wird die Bürgerproteste gegen die geplanten Einschränkungen beim Brandenburger Kita-Gesetz unterstützen. Manuela Thieme