Soziale Kompetenz tut Not ■ Videokameras lösen keine Probleme

Videoüberwachung ist keine Problemlösung. Videoüberwachung ist eine Problemverdrängung. Was für den Leipziger Innenstadtbereich gilt, für die raumgreifende Überwachung in Groß-London und auch für den Berliner Breidscheidtplatz, wird auch auf Berlins Sozialämter zutreffen.

Polizeiexperten warnen schon längst vor dem Verdrängungseffekt, den technische Überwachung mit sich bringt. Zwar kann Gewalt an einem Ort verhindert werden, Probleme gelöst hat eine Videoüberwachung indes noch nie.

Nicht jeder, der auf dem Sozialamt erscheint, mag die soziale Kompetenz haben, mit seiner persönlichen finanziellen Notsituation so umzugehen, dass nicht andere darunter leiden. Seien die Leidtragenden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Behörde, seien es Straßenbekanntschaften oder insbesondere auch das eigene persönliche Umfeld der Betroffenen. Mit einer Videoüberwachung auf dem Sozialamt wird aber vorhandene Aggression sicherlich nicht abgebaut, eher noch gesteigert.

Selbstverständlich ist nichts gegen das Vorhaben einzuwenden, die MitarbeiterInnen auf den Behörden vor Gewalt und Aggression zu schützen. Selbst die durchaus bekannte, ebenfalls unterschwellig aggressive Arbeitsweise auf dem einen oder anderen Amt rechtfertigt in keinem Fall tätliche Angriffe. Statt mit der bloßen Abwehr zu reagieren, wären die politisch Verantwortlichen aber sicher gut beraten, sich zum einen die wörtliche Bestimmung der sozialen Hilfe zu Herzen zu nehmen und auf einen menschlicheren Umgang und eine andere Atmosphäre zu wirken. Fehlt in vielen Fällen – mit steigender Tendenz – die soziale Kompetenz auf Seiten von AntragstellerInnen, müssten umso mehr die MitarbeiterInnen der Behörde diese Kompetenz an den Tag legen. Doch auch solche Kompetenz will gelernt sein. In den USA ist deshalb Schulung zur veränderten Annahme von Problemfällen und zum Umgang mit Aggression längst ein anerkannter Weg. Dass damit nicht jeder aggressive Ausfall verhindert werden kann, versteht sich, doch Einzelfälle dürfen nicht als Rechtfertigung von generell wenig hilfreichen Maßnahmen herangezogen werden. Barbara Junge

Bericht Seite 20