Patente auf verbotene Embryonenforschung

Bei der Forschung mit menschlichen Embryonalzellen ist der Übergang zwischen „erlaubt“ und „verboten“ fließend. Die Frage, wie weit die Wissenschaft wirklich gehen darf, ist weiterhin umstritten ■ Von Wolfgang Löhr

Das Europäische Patentamt (EPA) in München kann aufatmen, ein klein wenig zumindest. Nur wenige Tage nachdem bekannt wurde, dass das Patent EP 0 695 351 „aus Versehen“ auch den Eingriff in das Genom der menschlichen Keimbahn umfasst, ging der erste Einspruch, von Greenpeace, ein. Jetzt ist zumindest sichergestellt, dass die Patentschrift überprüft und – so ist zu erwarten – der gesetzwidrige Verwertungsschutz für die Züchtung eines Menschen wieder gestrichen wird. Mit dem Beginn des Verfahrens sei allerdings erst nach Ablauf der Einspruchsfrist Anfang September zu rechnen, sagte der EPA-Sprecher Rainer Osterwalder. Dann werde ein drei- bis vierköpfiges Gremium des Amtes aus Technikern und Juristen darüber entscheiden, ob das Patent zusammengestrichen werden muss.

Eine höchst seltene Einmütigkeit herrschte vergangene Woche im Bundestag, als es in einer aktuellen Stunde um das Menschenpatent ging. Ausnahmslos alle Redner stellten sich hinter Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), die verkündete, ihrerseits bereits einen Einspruch gegen das „unerhörte“ Patent eingeleitet zu haben. Nur wenn man den Rednern genau zuhörte, konnte man leichte, aber entscheidende Nuancen in der Position der Politiker feststellen. Bei der Empörung und der vehementen Ablehnung des Menschenpatentes jedoch bestand grundlegender Konsens. Schließlich will keiner den Einstieg in die Menschenzüchtung.

Auch Wolf-Michael Catenhusen, Parlamentarischer Staatssekretär im Forschungsministerium, sprach sich deutlich gegen das Menschenpatent aus. Aber so weit wie sein Parlamentskollege Werner Lensing von der CDU/CSU-Fraktion will Catenhusen sicherlich nicht gehen. Lensing sprach sich nicht nur gegen das der Universität von Edinburgh verliehene umstrittene Patent aus. Er forderte gleich ganz: „Patente auf Gene müssen wieder von der Bildfläche verschwinden.“

Für Catenhusen hingegen „gibt und gab es immer gute Gründe, Gene und vor allem ihre Genprodukte“ patentieren zu lassen. Der SPD-Politiker, der sich schon in der 80er-Jahren in der Enquetekommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ für die neuen Biotechnologien einsetzte, sieht auch in der so genannten Stammzellforschung „durchaus interessante medizinische Fragestellungen, vor allem dann, wenn es um diejenigen Zellen geht, die jeder von uns in seiner Leber, in seinem Hirn hat – nämlich Stammzellen, die nicht voll ausdifferenziert sind, die also in der Entwicklung beeinflussbar sind und sich vermehren können“.

Um Stammzellforschung ging es auch den Edinburgher Wissenschaftlern und ihrem Kooperationspartner, der australischen Firma Stem Cell Sciences (SCS), als 1993 schon der Antrag für das jetzt erteilte Patent EP 0 695 351 formuliert wurde.

Konkret haben die Forscher eine Methode entwickelt, die dabei helfen soll, noch nicht ausgereifte, also noch entwicklungsfähge Zellen, so genannte Stammzellen, von den bereits ausdifferenzierten Körperzellen abzutrennen. Stammzellen können dazu benutzt werden, Körpergewebe, zum Beispiel Haut, oder – in nicht so ferner Zukunft – ganze Organe in der Retorte wachsen zu lassen.

Um die Stammzellen von unerwünschten Körperzellen unterscheiden zu können, haben die Forscher in Mäuse Gene eingeschleust, die nur in einem ganz bestimmten Entwicklungsstadium der Zellen aktiv sind. Zum Beispiel Gene für Antibiotikaresistenzen, die nur bei Embryonalzellen im Fünf- bis Achtzellstadium aktiv sind. Wird nun zu einer Zellmixtur von einer derart manipulierten Maus das Antibiotikum zugegeben, bleiben nur die gewünschten Stammzellen übrig. Dass diese Forschungen nicht patentiert werden sollen, war nicht Gegenstand der Debatte im Bundestag. Dort ging es nur um den Punkt, dass laut Patentschrift diese Methode auch dann geschützt ist, wenn es sich um menschliche Stammzellen oder gar um daraus gezüchtete Menschen handelt. Dass dieses durch das Deutsche Embryonenschutzgesetz verboten und nach der EU-Richtlinie für Biopatente auch nicht patentfähig ist, darüber besteht grundsätzlicher Konsens im Bundestag.

Aber je weiter man in die Details geht, um so deutlicher werden die Differenzen. Catenhusen, und da steht er sicherlich nicht allein da, zieht eine Grenze zwischen totipotenten menschlichen Zellen, die voll entwicklungsfähig sind und aus denen auch ein Mensch gezüchtet werden kann, und Zellen mit einer eingeschränkten Entwicklungsfähigkeit, den so genannten pluripoten Zellen. Nach dem Embryonschutzgesetz ist nur die Verwendung und Manipulation der totipotenten Zellen verboten. Mit den eingeschränkt entwicklungsfähigen Stammzellen darf ohne Beschränkung gearbeitet werden. „Forschungsarbeiten an solchen Stammzellen sind ethisch vertretbar“, so Catenhusen, „sie haben durchaus auch ein beachtliches therapeutisches Potenzial.“

Ob es möglich sein wird, sich auch international auf eine gemeinsame Grenzziehung zu einigen, wie von der Mehrzahl der Redner im Bundestag mit Blick auf das Eurpäische Patentamt gefordert, scheint zumindest sehr fraglich zu sein. In Großbritannien wird diese Grenze zwischen Toti- und Pluripotenz nicht akzeptiert. Dort hat Ende Januar erst das US-Unternehmen Geron zwei Patente auf das bei dem Klonschaf Dolly angewandte Verfahren erhalten. Die Rechte erstrecken sich auch auf das Klonen von menschlichen Embryonen.