White men can't chat

■ Der deutsche Ragga-DeeJay Mr. Gentleman über seine Erfahrungen in Jamaika und umgekehrten Rassismus

Weiße Hörer, schwarze Musik – eine problematische Fanbeziehung. Wo die meisten Hörer ihr Reggaebild aus einem Puzzle medialer Bilder und Sounds zusammenschustern, ging der Kölner Reggaefan Tilman Otto nach Jamaika, um nachzuschauen, was wirklich los ist. Als Mr. Gentleman kam er zurück und sprach, sang und toastete fortan so fließend auf Patois, als gelte es einen Au-thentizitätsorden zu gewinnen. Sein hiesiges Plattenlabel schickt ihn erst einmal zurück nach Jamaika, wo er u.a. mit Sly & Robbie und Jack Radics mehrere Stücke für seine im letzten Jahr veröffentlichte Platte aufnahm.

taz hamburg: Im Gegensatz zum hiesigen HipHop, wo es sich durchgesetzt hat auf deutsch zu rappen, singst du im Patois-Dialekt des jamaikanischen Englisch. Stehst du zwischen den Kulturen?

Mr. Gentleman: Wenn ich auf Patois singe, fühle ich mich zunächst einmal einfach wohler. Ich hab es 1991 mit 17 Jahren gelernt, als ich erstmals nach Jamaika kam. Davor war ich einfach nur ein großer Ragga-Fan, der per Zufall eine Raggakasette bekommen hatte und von dieser Musik fasziniert war. Mit einem Freund, der regelmäßig nach Jamaika fuhr, bin ich dann einfach mitgekommen und habe bei einer befreundeten Familie gewohnt. Mit meinem Schulenglisch habe ich erst einmal kaum etwas verstanden.

Zur Musik kam ich, in einer Bar, in der einige Raggasänger auftraten und ich aufgefordert wurde, es auch zu versuchen. Mit den wenigen Patoiswörtern, die ich kannte, hab ich dann ein paar Reime gemacht, und die Leute fanden das zu meiner Überraschung gut. Zurück in Deutschland, habe ich mich sofort nach einer entsprechenden Szene umgesehen, aber erst einmal wenig gefunden.

In den zurückliegenden acht bis neun Jahren hat sich aber viel getan. Inzwischen gibt es in jeder Stadt Soundsystems und die Clubs sind immer besser besucht. In den Medien herrscht statt dessen diese Bob Marley-Vorstellung vor, dieses „Musik, die man erst ab 30 Grad aufwärts hören kann“. Zumindest konnte sich so die Szene relativ ungestört entwickeln.

Inwzischen bist du als weißer MC öfter auf Jamaika aufgetreten. Hat es dort sonst je weiße Raggakünstler gegeben?

Immerhin hat das Killasun Soundsystem den Worldclash gewonnen, und die kommen aus Japan. Auf Jamaika sind nur wenige Weiße je erfolgreich gewesen. Vor einiger Zeit gab es Dominique. Snow hat jahrelang in Kingston gelebt. Die meisten Jamaikaner erkennen das durchaus an, wenn sich ein Weißer auf die Bühne wagt. Wenn man dann gut ist, respektieren sie dich. Ich hatte eher in Deutschland Probleme, akzeptiert zu werden und wurde dauernd gefragt, warum ich denn nicht auf deutsch singen würde.

Ist es nicht verwunderlich, dass du als Weißer so wenig Probleme auf Jamaika hattest, schließlich verkündet einer der ganz großen, neuen Stars des Ragga, Sizzla, einen offenen Anti-Weißen Rassismus?

Die Sache mit Sizzla ist allerdings ein großes Problem, denn musikalisch ist Sizzla für mich unter den aktuellen Ragga-Künstlern einer der größten. In seinen Texten wendet er sich gegen die Sex- und Waffenlobpreisungeneines großen Teils der Raggasänger und propagiert ein schwarzes Geschichtsbewußtsein. Das Problem ist, dass er nicht nur die Sklaverei verteufelt, sondern gleich alle Weißen. Ich war auf Jamaika auf einem Konzert von ihm und man bekommt schon ein ungutes Gefühl, wenn Sizzla da vorn in Generalsklamotten auftritt und die Kids ihre „Back To Africa“ - und Haile Selassie-Fahnen schwenken.

Andererseits sage ich mir dann: der Typ ist erst 22 und ein guter Künstler geht durch verschiedene Phasen – vielleicht denkt er morgen schon ganz anders. Grundsätzlich ist es allerdings sehr schwierig, auf Jamaika politcal correctness einzufordern. Wer das täte, dürft eigentlich gar keinen Ragga mehr hören. Es herrschen dort einfach andere Zustände: In der Zeit, als wir dort das Video zu meiner Platte gedreht haben, stellte das jamaikanische Parlament ein Haushaltsloch von mehreren Millionen Dollar fest. Das war an einem Freitag. Zum Montag wurde da-raufhin eine Verdoppelung der Benzin- und Gaspreise beschlossen. Die Leute haben rebelliert und wir fanden uns in bürgerkriegsähnlichen Zuständen wieder. In einem solchen Land entsteht das Kontroverse und das findet man dann natürlich auch in der Musik wieder.

Interview: Nils Michaelis

Mi, 8. März, 21 Uhr, Fabrik