Vitamine und Eier gegen Botschaft

■ Etwa 2.000 Schüler ziehen eine Demostration gegen die rechte Regierung in Österreich dem Unterricht vor. Bei Abschlusskundgebung vor der Botschaft fliegen Obst und Eier

An mehr als 35 Schulen hieß es gestern: Protest gegen den österreichischen Rechtsradikalen Jörg Haider statt Unterricht. Rund 2.000 Jugendliche folgten nach Angaben der Veranstalter einem Aufruf des Schülerbündnisses „Fuck off Nazi-Haider“ und demonstrierten durch Mitte. Die Polizei zählte nur halb so viele.

Auf Transparenten forderten die Schüler „Kein Raum für Faschisten“ und „Ausländer bleiben – Haider vertreiben“. Lautstark skandierten sie „Hoch die internationale Solidarität“. Mit ihrer Aktion beziehen sie sich auf einen Schülerstreik in Wien vor knapp zwei Wochen.

An einige Schulen hatten zuvor Informationsveranstaltungen über die österreichische Rechtsregierung aus ÖVP und FPÖ stattgefunden. Anderswo versuchten Lehrer nach Berichten von Schülern, deren Demoteilnahme durch abgeschlossene Türen zu hindern. Die Direktoren dementierten das. „Wir haben nur ein Schultor abgeschlossen, das wir jeden Tag um zehn Uhr verriegeln“, sagte Manfred Claudi, Direktor der Kreuzberger Lina-Morgenstern-Schule. Sein Kollege Gerhard Rähme von der Carl-von-Ossietzky-Schule berichtete stolz, von seinen Schüler habe sich keiner den Protesten angeschlossen.

In der Gneisenaustraße formierten sich dennoch mehrere hundert Kreuzberger Schüler zu einer unangemeldeten Vorabdemonstration. Die fieberhafte Suche der Polizei nach einem Verantwortlichen blieb vergeblich: Gerade als die Beamten eine Schülerin zur Anmelderin erklären wollten, löste sich der Zug wieder auf und strömte geschlossen mit der U-Bahn zum Bahnhof Friedrichstraße. Dort hatten sich bereits Schüler aus etlichen anderen Bezirken eingefunden zur Demonstration durch Mitte eingefunden.

Ohne ihr gewohntes Aufsichtspersonal vergaßen die Schüler jedoch, dass man nicht mit Essen spielt: Bei der Abschlusskundgebung flogen Eier, Getränkedosen und Vitamin-C-reiches Obst gegen die Botschaft Österreichs. Vereinzelt wurden Steine und Feuerwerkskörper geworfen. Selbst der Demonstrationsanmelder, der PDS-Abgeordnete Stefan Zillich, blieb von den Eierwürfen nicht verschont. Er hatte sich zu dicht an einen Mannschaftswagen der Polizei herangewagt.

Die Beamten in Grün nahmen nach Angaben eines Sprechers einen Jugendlichen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz fest, gegen einen weiteren Demonstrationsteilnehmer wurde Anzeige wegen Landfriedensbruchs aufgenommen. Zwei Autos seien am Rande der Demonstrationsroute beschädigt worden.

Dirk Hempel