Das Portrait
: Aus Todeszellein die Freiheit

Calvin Burdine

Das gibt es nicht alle Tage, schon gar nicht in den USA: Calvin Burdine, der als verurteilter Mörder 16 Jahre lang in in einer Todeszelle des US-Staates Texas saß, ist frei. Fast frei. Am Mittwoch ordnete der zuständige Bundesrichter in Houston die Entlassung des „Häftlings Nummer D/R 000758“ an.

Hinter den kalten Zahlen verbirgt sich Burdines Todesurteil: D/R steht für death row, Todeszelle. Jetzt muss der 46-jährige innerhalb von fünf Tagen auf freien Fuß gesetzt werden. Im letzten Jahr hatte Bezirksrichter David Hittner das Urteil von 1984 verworfen, weil Burdines Verteidiger es vorgezogen hatte, weite Strecken des Prozesses im Tiefschlaf zu verbringen.

Damals war das kein Grund, das Verfahren zu unterbrechen. Jetzt könnte die Müdigkeit seines Anwalts Burdines Leben retten. „Ein schlafender Verteidiger ist wie keiner“, urteilte Hittner, das Verfahren müsse neu aufgerollt werden.

Diese Entscheidung bedeutet für Calvin Burdine eine neue Chance, seine Unschuld zu beweisen. Denn er streitet das ihm vorgeworfene Verbrechen ab. Im Jahr 1983 soll er in einem Streit seinen Mitbewohner erstochen haben. Die Auseinandersetzung gibt Burdine offen zu, sein Kontrahent habe ihn zur Prostitution zwingen wollen. Erstochen habe er diesen aber nicht, das sei ein anderer gewesen.

Ob er den Namen dieses Unbekannten nennen will, kann sich Burdine bald unter freiem Himmel überlegen. Sobald er aus seiner zwei mal zweieinhalb Meter kleinen Zelle entlassen werde, wolle er an den Livingstone-See ziehen oder in den Nachbarstaat Oklahoma gehen, erzählte der Häftling in einem Interview. Der Staat Texas brauche sich nicht um seine Rechtschaffenheit zu sorgen, sein früheres Leben als Herumtreiber wolle er gegen ein friedliches und vor allem ruhiges Tagewerk eintauschen: In den Wochen oder Monaten bis zur Neuaufnahme seines Verfahrens gedenke er sich beim Angeln zu entspannen.

Die Jahre in Haft waren hart. Ein Mithäftling verletzte Burdine so schwer, dass er einseitig erblindete. Ein Krankenhaus lehnte eine Operation ab. Ein anderer Häftling, mit dem Burdine sich anfreundete, wurde bereits 1991 hingerichtet. Seine Eltern, die seinen Fall über das Internet verbreiten, durften ihn nur zwei Stunden in der Woche besuchen. Eine spannende Frage ist, ob der „Fall Burdine“ Einfluss auf den US-Wahlkampf nimmt. Der Gouverneur von Texas heißt George Bush jr.

Florian Harms