: Polnischer Botschafter in die Wüste verschleppt
Jemeniten wollen durch die Entführung einen Stammesangehörigen freipressen. Ein „Verrückter“ erschießt holländischen Entwicklungshelfer und seinen Assistenten
Kairo (taz) – „Arabia felix“ (Glückliches Arabien) wird der Jemen seit der Antike genannt. Für Ausländer war es allerdings nie ganz ungefährlich, im südlichen Teil der arabischen Halbinsel zu reisen und zu leben. Inzwischen ist auch die Hauptstadt Sanaa nicht mehr sicher. Diese Woche war sie gleich zweimal Schauplatz gewalttätiger Szenen gegen Ausländer. Zunächst wurde Mittwochabend der polnische Botschafter auf offener Straße entführt. Wenige Stunden später wurden ein holländischer Entwicklungshelfer und sein jemenitischer Assistent erschossen.
Krzysztof Suprowitz wollte eigentlich nur seine Tochter beim Zahnarzt abliefern. Doch als der polnische Diplomat zu seinem Auto zurückkehrte, wurde er abgefangen. Die Angehörigen des Stammes der Bait al-Kairi verschleppten ihn in ein Gebiet nördlich der Hauptstadt. Nach Angaben aus jemenitischen Sicherheitskreisen, wollen die Entführer die Freilassung eines ihrer Stammesmitglieder aus dem Gefängnis erpressen. Nach typisch jemenitischem Ritual feilschen nun Würdenträger des Nachbarstammes mit dem entführenden Stamm um die Freilassung des Opfers. Der Ort soll von der Armee umstellt sein. Während schon oft Touristen, ausländische Mitarbeiter der örtlichen Ölindustrie und manchmal auch Diplomaten im Jemen entführt wurden, ist dies der erste Fall in dem sich die Entführer an einen Botschafter heran getraut haben.
Kurz darauf wurde die Nachricht von der Erschießung eines holländischen Entwicklungshelfers und seines Assistenten bekannt. Der vermeintliche Täter, ein Wächter des Entwicklungshilfebüros wurde verhaftet. Er soll geistig verwirrt sein.
Entführungen von Ausländern sind im Jemen fast an der Tagesordnung. Sie sind eine Art Kommunikationsmittel zwischen Stämmen und Zentralregierung. Meist fordern lokale Stämme Zugeständnisse, etwa den Bau einer Schule oder einer Straße, oder wie in dem jetzigen Fall die Freilassung eines Clanmitglieds aus dem Gefängnis. Die meisten Entführungen gehen glimpflich aus. Die Gastfreundschaft der Entführer ist sprichwörtlich. Zahlreich sind die Geschichten von Festmählern zu Ehren der Entführten.
Vor zwei Jahren kamen allerdings vier von einer islamistischen Gruppe entführte westliche Touristen bei einer missglückten Befreiungsaktion der Armee ums Leben. Seitdem ist die Situation eskaliert. Letzten Sommer hat das jemenitische Parlament ein Gesetz erlassen, das es den Richtern erlaubt, im Fall einer Entführung die Todesstrafe auszusprechen. In mindestens drei Fällen wurden seitdem des Menschenraubs Verurteilte auch tatsächlich exekutiert. Karim El-Gawhary
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen