Das Wasser steigt weiter

■ Während Mosambik auf ausländische Hilfe wartet, warnen Meteorologen: Am Wochenende droht ein neuer Wirbelsturm

Während auf dem Flughafen der mosambikanischen Hauptstadt Maputo endlich die ersten Hilfsflugzeuge mit Lebensmitteln, Zelten und Medikamenten eintreffen, ist ein Ende der Flutkatastrophe noch immer nicht in Sicht. Im Gegenteil: Das Wetteramt im südafrikanischen Pretoria warnte gestern davor, dass sogar ein neuer tropischer Wirbelsturm mit dem schönen Namen „Gloria“ am Wochenende die Küste treffen könnte. Allerdings soll „Gloria“ bei weitem nicht so stark sein wie ihre Vorgängerin „Eline“. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen reagierten trotzdem alarmiert. „Wenn dieser Sturm auch noch kommt, wäre das eine völlige Katastrophe“, sagte die Sprecherin des Welternährungsprogramms (WFP), Michele Quintaglie, gestern in Maputo.

Dazu kommt eine neue Hochwasserwarnung für die großen Flüsse in Mosambik, die aus den Nachbarländern ohnehin schon gewaltige Wassermassen ins mosambikanische Tiefland transportieren. Sollte der aus Simbabwe kommende Sambesi tatsächlich, wie vorhergesagt, am Wochenende über die Ufer treten, wären auch die bislang verschont gebliebenen nördlichen Landesteile getroffen.

Auch bis gestern war immer noch nicht klar, welche Teile Mosambiks unter Wasser stehen und wo Soforthilfe für die Überlebenden am allernötigsten war. Ganze Regionen des Landes sind vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Mindesten 56.000 Quadratkilometer, so schätzt das WFP, sind überflutet – das entspricht der Fläche der Schweiz. Zwar konnten bisher mehr als 1.000 Tonnen Lebensmittel verteilt werden, allein 365 Tonnen aber liegen beispielsweise in der Hafenstadt Beira fest, so das WFP. Eine wirkliche Erleichterung der Situation wird sich erst einstellen, wenn – voraussichtlich ebenfalls am Wochenende – weitere Hubschrauber eintreffen. Wie viele Menschen bis dahin noch ertrinken, weiß niemand. Mindestens eine Million Menschen, so erste Schätzungen, sind durch die Überschwemmungen obdachlos geworden. Die Zahl der Toten ist unbekannt, wahrscheinlich sind es Tausende. Premierminister Pascoal Mocumbi sagte gestern, die genauen Zahlen könnten erst nach einem Sinken des Hochwassers festgestellt werden.

Erst die Fernsehbilder von Menschen, die wie in der biblischen Sintflut auf Hausdächern und Bäumen Schutz vor den Fluten gesucht haben, rüttelte die Öffentlichkeit in den Industrienationen so auf, dass auch die Regierungen unter Druck gerieten. Vier Hubschrauber und mehr als 100 Rettungsboote hat die britische Regierung unterdessen zugesagt, und die USA versprachen in einer plötzlichen Kehrtwendung nicht nur ebenfalls sechs Hubschrauber sowie sechs weitere Transportflugzeuge, sondern sogar die Entsendung von Truppen. 900 in Europa stationierte Soldaten werden nun nach Mosambik statt nach Kamerun geschickt. Dort hätten die US-Truppen ironischerweise eigentlich an einem Übungsmanöver für einen Katastrophenfall teilnehmen sollen.

Die EU, ebenfalls wachgerüttelt von den Fernsehbildern, schickt ihren Kommissar für Humanitäre Hilfe, Poul Nielson, vor Ort und versprach weitere 25 Millionen Euro für den Wiederaufbau von Brücken und Straßen. „Die Katastrophe ist viel größer, als irgendjemand ahnen konnte“, rechtfertigte er gestern nach seiner Ankunft in Maputo die langsame Reaktion. „Wir tun alles, was wir nur können, um zu helfen.“

Seit gestern sind endlich auch mehr Hubschrauber unterwegs, um Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Die genaue Zahlenangaben schwankten aber auch hier zwischen 10 und 30 – ein weiteres Indiz für die schwierige Koordination der Hilfsaktionen. Seit dem vergangenen Wochenende haben mittlerweile sieben südafrikanische Hubschrauber mehr als 10.000 Menschen in einem ununterbrochenen Einsatz aus der schmutzig braunen Brühe gerettet. Doch auch gestern warteten vermutlich noch Zehntausende darauf, aus der Luft evakuiert zu werden. Nicht nur sind viel zu wenig Hubschrauber vor Ort, die Überlebenden müssen auch in zum Teil halsbrecherischen Manövern einzeln in die Flugzeuge gehievt werden.

Kordula Doerfler,

Johannesburg