Auf fröhlicher Wallfahrt

Entfernte Bekannte, nahe Verwandte: Mit ihrer Ausstellung im Kunstverein Braunschweig verzahnt Cosima von Bonin ihre Liebe zur Kooperation mit Arbeit am Kontext und künstlerischem Eigensinn

von ISABELLE GRAW

Im September letzten Jahres hat die Kölner Kuratorin Carola Grässlin die Leitung des Braunschweiger Kunstvereins angetreten, was diesen sogleich auf die Landkarte jenes Kunstbetriebs setzte, der gewöhnlich in Berlin, Köln, London oder New York Station macht. Mit einer Programmatik, die als forsch und umsichtig zugleich beschrieben werden könnte, setzt sie auf internationale Positionen (Mike Kelley), historische Rückblicke, etwa auf die Düsseldorfer Kunstszene der späten 60er-Jahre, und gewagtere Präsentationen jüngerer Künstlerinnen – wie mit der aktuellen Ausstellung Cosima von Bonins.

Fällt der Name Cosima von Bonin, dann ist sogleich von Köln die Rede – von der dortigen Kunstszene, der Galerie Nagel oder jenen KünstlerInnen, mit denen sie befreundet ist. Tatsächlich erscheint es sinnvoll, ihre Ausstellungen im Kontext zu diskutieren – zumal soziale Beziehungen zu Musikern oder anderen KünstlerInnen in ihrer Arbeit eine große Rolle spielen. Als von Bonin zu Beginn der 90er-Jahre die New Yorker Galerie Rosen mit Arbeiten befreundeter KünstlerInnen füllte, kam dies einer Erhebung des Ausstellungskontexts zum künstlerischen Material gleich. Auch der Film „Die fröhliche Wallfahrt“ lief auf eine Ausstellung ihres Galeriezusammenhangs hinaus – der Galerist und seine Mitarbeiterin spielten in ihm die Hauptrolle. Hinzu kamen regelmäßige Kooperationen mit anderen KünstlerInnen, die im so genannten Grazer Fächerfest kulminierten, außerdem gemeinsame Ausstellungen oder Filme, die sie mit Kai Althoff produzierte. Je offensichtlicher diese Bezüge auf ein Soziales zielten, desto mehr unterstellte man ihren Arbeiten, dass sie hermetisch seien oder sich auf geheime Übereinkünfte beziehen würden.

Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Die Installationen von Bonins haben die durch die Kunst gespannten sozialen Beziehungen und verbalen Auseinandersetzungen immer als wesentlich vorgeführt. Wesentlich im Sinne einer Instanz, die künstlerischer Praxis zu einer – wenn auch prekären – Legitimation verhilft. In Braunschweig genügt ein Blick auf die neben den Arbeiten angebrachten Ausstellungschilder, um festzustellen, dass diese Methode grundsätzlich beibehalten, wenn auch leicht verschoben wurde. Denn es waren zumeist Namen wie „Paul“, „Ruth“, „Hans Eichel“ oder „Prada“, die früher in Titeln angeführt wurden – Namen von real existierenden oder fiktiven Personen oder Marken. Doch in demselben Maße, wie andere hier wie zur Rechtfertigung oder Absicherung aufgerufen werden, scheinen die Objekte selbst darüber hinauszugehen. Tatsächlich wurde ein Großteil der teilweise monumentalen Arbeiten eigens für diese Ausstellung produziert – angefangen von einem imposanten Weidenhaus über den mit rotem Papier „tapezierten“ Holzverschlag bis hin zu einem auf Robert Gober anspielenden kurzen Bett mit zu großer Matratze. Das Jahr 2000 ist hier als Herstellungsdatum angegeben und jedes Mal stolpert man über diese noch ungewohnte Zahl.

Im Vergleich zu den überbordenden älteren Installationen, etwa „Löwe im Bonsaiwald“, wirken die in Braunschweig ausgestellten Arbeiten geradezu aufgeräumt – man ist verführt, von Skulpturen zu sprechen. Doch die Namen in den Titeln stehen für die Kontinuität einer künstlerischen Vorgehensweise, die den eigenen sozialen Rahmen zum Gegenstand von Kunst proklamiert. So trägt jedes der mit Laura-Ashley-Stoff bezogenen Gatter aus Schaumstoff den Namen von befreundeten KünstlerInnen, und das Video „Pryde Exigencies“ ist mit Musik von Justus Köhnke unterlegt. Anspielungen auf andere KünstlerInnen, etwa Polke oder Palermo, werden im Stoffbild „Cousins“ überoffensichtlich, auch die mit Stoff bezogenen Stäbe aus Schaumstoff zehren von ihrem überdeutlichen Bezug zu André Cadere.

In dieser Hinsicht programmatisch ist die im Eingang platzierte „fahrende Bibliothek“ von Nils Norman, die von Bonin in der New Yorker Galerie American Fine Arts gesehen und nun integriert hat. Die Arbeit bildet eigentlich den „kritischen“ Gegenpol zum eher poetischen Ansatz von Bonins. Schließlich fordert das Gestell mit integriertem Fotokopierer und Solaranlage – allerdings ironisch – zur Benutzung auf und stellt Literatur zu Themen wie Anarchie oder Gartenpflege zur Verfügung. Durch die Integration der „Bibliothek“-Arbeit offenbaren sich jedoch unverhoffte ästhetische wie auch thematische Gemeinsamkeiten: Norman hegt, wie auch von Bonin, eine Vorliebe für das Thema Garten und er operiert mit einer „Geschmack“ und „Inneneinrichtung“ strapazierenden Ästhetik. Umgekehrt finden sich bei von Bonin jetzt Anhaltspunkte für eine thematische Lektüre, der sie sich zuvor weitgehend entzogen hatte. In Braunschweig bildet das Haus ein durchgängiges Leitmotiv – in Form von aufgenähten Silhouetten auf Fahnentüchern oder regelrechten Hauskonstruktionen ist es omnipräsent.

Während von Bonin in den 90er-Jahren in den unterschiedlichsten Funktionen aufgetreten ist – als Kuratorin, Veranstalterin, Koproduzentin –, kommt es in dieser Ausstellung zu einer Art Rückbesinnung auf ihre Rolle als Künstlerin. Dies heißt jedoch nicht, dass ihre Vorliebe für Kooperationen aufgegeben oder dass die Zuschreibung „Integrationsfigur“ unangemessen wäre. Verschoben hat sich nur die Gewichtung: Fast schon didaktisch führt diese Ausstellung ihre Methoden der Einbeziehung vor, wobei die entstandenen Kunstwerke in diesen Methoden nicht aufgehen. Man hat den Eindruck – auch durch den wiederholten Einsatz gewisser Materialien (Stoffe) –, dass hier eine Handschrift entwickelt wird, die ihre sozialen Bezüge in sich trägt und dennoch für sich spricht. Insbesondere sind es die besagten Gatter aus Schaumstoff, die stabil im Raum stehen und zugleich schwanken, in denen diese Mischung aus sozialem Bezug und Autarkie wiederkehrt.

Bis 26. 3., Kunstverein Braunschweig