Hertie-Stiftung ganz gemein

Finanzbehörden wollen der Hertie-Stiftung die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkennen.Es drohen Steuernachzahlungen in Millionenhöhe. Staatsanwalt ermittelt auch bei Finanzbeamten

von MARTIN MURPHY undDAVID SCHRAVEN

Der Frankfurter Hertie-Stiftung soll es an den Kragen gehen. Die hessischen Finanzbehörden planen, ihr rückwirkend den Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Die Stiftung müsste dann Steuern in Höhe von bis zu 1,1 Milliarden Mark nachzahlen, wurde der taz von Mitarbeitern der Finanzverwaltung bestätigt. Die Verhandlungen zwischen der noch gemeinnützigen Stiftung und dem hessischen Finanzministerium seien aber noch nicht abgeschlossen, sagte ein mit dem Fall befasster hochrangiger Beamter der taz.

Nach Aussage des Stiftungsvorsitzenden Klaus Rehmann liegt eine Steuernachforderung noch nicht vor. Rehmann ist auch Chef der Hamburger gewinnorientierten Hertie-Familienstiftung. Zur Zeit findet eine Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1997 durch die Finanzbehörden statt. Ursache für die ungewöhnlich hohen Steuernachforderung ist ein 1,6-Milliarden-Mark-Darlehen, das die gemeinnützige der Familienstiftung gewährte. Für den Kredit sollte die gemeinnützige Stiftung mit 37,5 Prozent am Gewinn der Familienstiftung beteiligt werden. Allerdings wurden alljährlich maximal 8 Millionen für gemeinnützige Zwecke ausgeschüttet. Viel zu wenig, findet der Landtagsabgeordnete und finanzpolitische Sprecher der hessischen Grünen, Alexander Müller.

In Sache Hertie ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt. Angestoßen wurden das Verfahren mit dem Aktenzeichen 92Js145901/99 durch eine Anzeige eines früheren hochrangigen Stiftungsmitarbeiters. Wegen des Verdachts der Untreue sind jetzt Ermittlungsverfahren gegen sechs Beamten des hessischen Finanzministeriums eingeleitet worden. Die Beamten haben der Hertie-Stiftung zu Unrecht den Status der steuerbefreienden Gemeinnützigkeit zuerkannt. Aufgrund des Darlehens hätte dies nach Ansicht der Ermittler nicht sein dürfen. Erweisen sich die Verdächtigungen der Staatsanwälte als richtig, dann gibt es ein wahres Netzwerk in den hessischen Finanzbehörden, das die Gemeinnützigkeit der Hertie-Stiftung sicherte. Dazu gehört der kommissarische Abteilungsleiter der Steuerabteilung. Neben der hohen Steuernachforderung droht den Verantwortlichen der Hertie-Stiftung eine Anklage wegen Beihilfe zur Untreue. Ob die sechs Finanzbeamten bestochen wurden, ist allerdings bisher noch nicht bekannt.

Im Moment könnte die Hertie-Stiftung eine Steuernachforderung von bis zu 1,1 Milliarden Mark nicht begleichen. Das Vermögen liegt immer noch bei der Familienstiftung in Hamburg. Stiftungsmanager Rehmann plant aber, das Kapital wieder zurück an den Main zu holen. Entsprechende Schritte sind laut Rehmann bereits eingeleitet.