Besuch der alten Dame
: WIGLAF DROSTE über einen Berliner Fußballverein

Hertha, eine Landplage

Es bedarf keiner bösen Absicht, um Hertha BSC nicht leiden zu können. Es geht einfach gar nicht anders. Nur eine Begegnung mit diesem Verein, und die Sache hat sich erledigt. Wer aus guten Gründen denkt, der ewige Flakhelfer Lothar Matthäus sei schon das Unangenehmste, das der deutsche Fußball zu bieten hat, der soll mal Hertha BSC besuchen. Glücklich, wer Hertha BSC nicht kennt. Dieses Glück aber ist nicht zu haben, wenn man in Berlin lebt.

Hertha BSE

Irgendwann trifft man unweigerlich auf die Gestalten, die es trotz der starken Konkurrenz aus Kaiserslautern und Rostock fertig bringen, die mit Abstand widerwärtigsten Fans der Fußball-Bundesliga zu sein. Sie haben dem Verein den Namen Hertha BSE eingebracht. Sie sind weiß und blau. Drohend bellen sie: „Nur nach Hause, nur nach Hause, nur nach Hause gehn wir nicht.“ Das ist wahr. Hertha-Fans haben immer noch etwas vor. Hitler grüßen. Einen jüdischen Friedhof schänden. Leute anpöbeln und zusammenschlagen, deren Delikt darin besteht, nicht zu ihnen zu gehören und das auch nicht zu wollen.

Einige tausend von ihnen sind organisierte Nazis. Aus Berlin und aus dem überflüssigen Zeug, das um Berlin herum liegt: Brandenburg. Im Berliner Olympiastadion fühlen sie sich wohl. Das ist ihre Ästhetik: Speer und Breker. Da lässt sich gut im Pulk stehen und „Sieg!“ schreien. Der Berliner Rest tut so, als geschähe das gar nicht. Aus Sympathie, aus Feigheit, aus Angst. Oder aus der praktischen Vereinbarung heraus, dass Hertha eben dufte sei.

Bundesliga, sogar Champions League. Mal bisschen passablen Fußball sehen. Zusammen mit Nazis? Egal. Die gibt’s dann einfach gar nicht. Die sind gar nicht da. Aber mit dem Fußball, heißt es, hat das doch nichts zu tun! Die Mannschaft ist doch okay! Kann sein. Seit Axel Kruse nicht mehr spielt, ist zumindest ein Kneipenschläger weniger auf dem Platz. Der geht jetzt in seine eigene Kneipe. Die heißt „Kruse’s Sport’s Bar“, mit zwei Gratis-Apostrophen, wie es sich für einen altzonalen Dummklumpen gehört. Vor nicht langer Zeit wurde der Zeichner Rattelschneck, als er abends an diesem Lokal vorbeiradelte, von Besuchern der Kneipe vom Rad gestoßen, geschlagen und getreten. Ohne jeden Anlass, nur so, aus „Kruse’s Sport’s Bar“-Spaß.

Schultheißig gekrümmt

Da lacht der Hertha-Fan. Aber der Trainer ist doch in Ordnung, sagt jemand. Das scheint so zu sein. Jürgen Röber ist ein nüchterner Mann, kein Schreihals, kein Angeber – gemessen an „Gras fressen!“-Brüllköpfen wie Daum oder Scharping wirkt Röber zauberhaft dezent. Er trainiert aber nur die Mannschaft, nicht die Fans.

Die sich aber auch ohne Anleitung schlussendlich in den einzig semi-humanoiden Zustand hineintranszendieren, in dem sie niemandem mehr etwas tun können. Schultheißig gekrümmt hängen sie dann an einer Ecke.

Der Inhalt ihrer Köpfe, gutes altes Erbrochenes, pörkelt aus ihnen heraus. Earrll! Wer aber versucht, einen Hertha-Fan bei der BSR abzugeben, muss feststellen: Das geht nicht. Hertha-Fans nimmt keiner, nicht mal die Sondermülldeponie.