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über ihre FPD, Roland Koch und Koalitionszusagen

taz: Halten Sie es für eine Fehlentscheidung, dass der hessiche FPD-Landesparteitag beschlossen hat, weiterhin mit Ministerpräsident Roland Koch zu koalieren?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Ja. Ich halte diese Entscheidung für falsch. Ich habe in den vergangenen Wochen immer gesagt, dass Herr Koch nicht mehr tragbar ist.

Warum ist eine Koalition mit Herrn Koch nicht mehr möglich?

Herr Koch hat gesagt, er habe von Unregelmäßigkeiten im Rechenschaftsbericht nichts gewusst. Er hat damit in einer entscheidenden Frage gelogen. Das war nicht eine Dummheit, sondern ein schwerer Verstoß gegen den politischen Anstand und die politischen Maßstäbe, die ein Politiker an sich legen muss. Zweitens: Die Affäre ist längst nicht beendet. Das Wahlprüfungsgericht und zwei Untersuchungsausschüsse befassen sich mit der Finanzierung des CDU-Wahlkampfs und den schwarzen Kassen. Die Debatte geht weiter, und die FDP hat den rechtzeitigen Zeitpunkt verpasst, sich von Herrn Koch zu trennen.

Der Parteivorsitzende Gerhardt hatte sich gegen das Fortführen der Koalition mit Koch eingesetzt. Ist seine Stellung durch diese Niederlage jetzt gefährdet?

Es war die einhellige Auffassung des Bundespräsidiums, dass Herr Koch nicht tragbar ist, von daher ist es eine Niederlage des gesamten Präsidums.

Gehen Sie davon aus, dass der Herr Gerhardt weiter Vorsitzender bleibt?

Wir werden jetzt nach dieser Entscheidung in Hessen keine Personaldebatte beginnen und bekommen.

Wie wollen Sie dem Vorwurf begegnen, dass der FDP die Macht wichtiger ist als die Moral?

Es geht in der FPD um die Frage: Macht oder Moral? Die hessischen Liberalen haben sich am Samstag eindeutig für die Macht entschieden. Ich bin nicht bereit, das Verhalten der hessischen Liberalen auf die gesamte Partei zu übertragen und diesen Maßstab, den die Hessen angelegt haben, zur Grundlage der Einschätzung der Bundes-FDP zu machen. Es hängt jetzt davon ab, welche konkreten Vorschläge die Bundespartei in den Bundestag einbringt zur Stärkung der Stellung des Bürgers und zur Zurückdrängung der Parteien in unserer Gesellschaft. Und diese Debatte werden wir sehr inhaltlich führen und auch vielleicht wieder gegen die Hessen.

Würden Sie Ihren FDP-Freunden in Nordrhein-Westfalen raten, schon jetzt, vor der Landtagswahl, eine Koalitionsaussage zu machen?

Ich bin der Meinung, die FDP sollte sich ihren Inhalten widmen und keine Koalitionsaussagen machen. Die FDP kann sowohl mit der CDU als auch mit der SPD Koalitionen eingehen.

Gilt das auch für die Bundestagswahl?

Es wäre auch möglich, dass wir ohne Koalitonsaussage in den Bundestagswahlkampf gehen.

Interview: TINA STADLMAYER