Die vorhersehbare Katastrophe

Der Zyklon war angekündigt. Aber kaum jemand im südlichen Afrika wollte sich auf die Gefahr vorbereiten. So wurde aus dem Notstand ein Desaster

aus Johannesburg KORDULA DOERFLER

Internationale Hilfe strömt nach Mosambik, aber die Katastrophe ist längst nicht vorbei. Während sich der nächste Wirbelsturm von Madagaskar her nähert, warten immer noch Zehntausende Menschen in den Flutgebieten auf Rettung. Seit gestern sind auch Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes im Hilfseinsatz.

Je mehr Menschen aus den Flutgebieten evakuiert werden, desto dramatischer wird die Situation in den Auffanglagern, wo Trinkwasser und Medikamente knapp sind und der Ausbruch von Seuchen wie Cholera und Malaria droht.

Der Westen, der Afrika ohnehin nur als ein permanentes Desaster wahrnimmt, reagierte auf die Fluten in Mosambik erst, als die Fernsehbilder von verzweifelten Menschen auf Bäumen und Hausdächern durch die Wohnzimmer flimmerten. Doch auch die Regierungen im südlichen Afrika, fast alle ebenfalls von der Katastrophe getroffen, sahen ihrem Heraufziehen mit Ausnahme Südafrikas tatenlos zu. Erst am letzten Freitag trafen sie sich erstmals, um Hilfsmaßnahmen „besser zu koordinieren“. Da war die westliche Hilfsmaschinerie längst angelaufen. Das hätte schneller geschehen können, hätten die Ländervorher gemeinsam um Hilfe gebeten.

Denn die Flut war vorherzusehen. Fast auf die Minute genau berechneten die Meteorologen die Ankunft von „Eline“ am 22. Februar. Erst dieser Wirbelsturm machte einen schon bestehenden Notstand zur Katastrophe. Im gesamten südlichen Afrika regnete es bereits teilweise seit Weihnachten ungewöhnlich stark. In der ersten Februarwoche versanken bereits ganze Teile von Mosambik, dem nördlichen Südafrika und dem Hochland von Simbabwe in schlammigen Fluten. Seit dem 12. Februar schon sind die fünf Hubschrauber der südafrikanischen Luftwaffe in Mosambik im Einsatz. Und am 10. Februar schon forderte Mosambiks Präsident Joaquim Chissano internationale Hilfe.

Nachdem der Zyklon „Eline“ am 22. Februar eine Spur der Verwüstung gezogen hatte, erneuerte er seinen Hilferuf. Nur 24 Stunden nach dem Eintreffen des Zyklons rechnete man mit mindestens 800.000 Betroffenen. Am darauf folgenden Wochenende versanken ganze Städte in den schmutzigen Hochwasserwellen der Flüsse aus dem Binnenland. Heftige Regenfälle sind im südlichen Afrika zu dieser Jahreszeit nichts Ungewöhnliches. Auch längere Regenzeiten mit Überschwemmungen kommen immer wieder vor. „Wir sprechen von Wetterzyklen von 14 bis 22 Jahren“, sagt Michael de Villiers vom Wetteramt in Pretoria. „Heftige Dürren wechseln mit schweren Regenzeiten ab.“ So viel Regen wie jetzt gab es aber seit Jahrzehnten nicht mehr. Einen Zusammenhang mit dem El-Niño-Phänomen oder einer globalen Erderwärmung will de Villiers nicht sehen. Dem widerspricht Ian McDonalds vom Wildlife Fund for Nature, der einen eindeutigen Zusammenhang mit der Erwärmung der Erde sieht.

Viel Erfahrung mit tropischen Wirbelstürmen hat das südliche Afrika nicht. Zwar bilden sich über dem Indischen Ozean während des Sommers auf der südlichen Halbkugel ständig Zyklone. Das mehr als 1.000 Meter hochgelegene Binnenland des südlichen Afrika erreichen sie jedoch in der Regel nicht. Auch deshalb traf „Eline“ den gesamten Subkontinent unvorbereitet. Wie eine Dampfwalze bewegt sich der Zyklon durch das südliche Afrika und hat auch in anderen Ländern Katastrophen verursacht. Im Wüstenstaat Namibia liefen erstmals seit Menschengedenken die Stauseen über.

Selbst im vergleichsweise gut entwickelten Südafrika gehen die Schäden in dreistellige Millionenbeträge. Im Süden und Südosten Simbabwes sind mehr als 300.000 Menschen obdachlos. Die geografische Beschaffenheit des Subkontinents begünstigte die Katastrophe: Fast alle Flüsse fließen von West nach Ost in den Indischen Ozean vor der mosambikanischen Küste und begruben jetzt ganze Landstriche unter sich. Das Öffnen der Schleusen in den Nachbarländern, deren Stauseen überliefen, machte die Katastrophe in Mosambik perfekt. Der Limpopo schwoll teilweise auf eine Breite von 100 Kilometern an. Eine ähnlich verheerende Flutwelle wird noch immer für den rund 1.000 Kilometer weiter nördlich fließenden Sambesi, einen der größten Flüsse Afrikas, befürchtet.

Rudolf Mutschler, der Leiter des Büros der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in Mosambik, sieht langfristig nur eine Perspektive für das geplagte, in seiner wirtschaftlichen Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfene Land: „Mosambik muss das machen, was die Portugiesen bis 1975 zum Teil gemacht haben: Dammbau, Deichbau, Verhinderung von Siedlungen in Überschwemmungsgebieten und künstliche Wasserspeicher. Doch so weit denkt hier kaum jemand.“