Es ist nicht alles Green, was glänzt

Kanzler Schröder in Eile: Bis Montag will er ein Konzept für seine Red-Green Card vorlegen. Zuvor sollen Arbeitgeber, Gewerkschaften, Ministerien und die Bundesanstalt für Arbeit den genauen Bedarf an Computerfachleuten festlegen

BERLIN taz ■ Auf Bundeskanzler Schröder ist Verlass. Vor zwei Wochen hat er der an Fachkräftemangel leidenden Computerbranche versprochen, 30.000 ausländische EDV-Fachleute ins Land zu holen. Am kommenden Montag nun will er der Öffentlichkeit das Konzept präsentieren, nach dem sich die Grenzen Deutschlands für die hoch qualifizierten Mitarbeiter aus Nicht-EU-Staaten öffnen sollen.

Zuvor müssen die Beteiligten in aller Eile noch die Details abstimmen. Morgen treffen sich Vertreter von Arbeits-, Forschungs-, Außen- und Innenministerium gemeinsam mit Arbeitgebern und Gewerkschaften bei Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD). Die Arbeitgeber sollen darlegen, dass ihre Angaben über die Menge der benötigten Spezialisten wirklich zutreffen. Denn schon seit Jahren operiert die Branche mit denselben Zahlen. Bereits zur CebitHome 1998 schätzten ihre Experten, dass 75.000 Computerexperten fehlen. Auch damals waren angeblich akut 30.000 offene Stellen zu besetzen. Diese Zahlen bringt der Branchenverband bitkom nun abermals ins Spiel.

Zwar sollen die Arbeitgeber morgen anhand konkreter Stellenangebote, die auch über das Arbeitsamt nicht besetzt werden konnten, den Mangel nachweisen. Doch diese Herangehensweise taugt wenig. Kein Unternehmer ist verpflichtet, seine freien Stellen dem Arbeitsamt zu melden. Letztlich, so ein Ministeriumsmitarbeiter, sei die Bedarfsprüfung „eine Frage des Vertrauens“. Dass die Spezialisten rar sind, bestreitet auch die Bundesanstalt für Arbeit (BA) nicht. Momentan sind dort allerdings nur 12.000 offene Stellen im IT-Bereich registriert, 37.000 Arbeitslose werden in EDV-Berufen fortgebildet. „Die Betriebe müssen sagen, in welchen Berufen sie Mitarbeiter brauchen, und wir werden sofort Leute ausbilden“, beteuert der BA-Pressesprecher. Am Freitag wollen BA-Mitarbeiter und Unternehmer gemeinsam überlegen, wo die Not am größten ist. Vom Ausgang des Gesprächs soll auch abhängen, welche Computerspezialisten ins Land dürfen. „Kabelträger“ sollen es nicht sein. Die Regierung hofft auf „Top-Leute“. Ihr Einsatz in Deutschland soll nur von kurzer Dauer sein. Fünf bis sechs Jahre will Schröder sie im Land dulden, solange, wie Universitäten und Industrie brauchen, genügend eigenen Nachwuchs auszubilden.

Für viele Gewerkschafter ist die Kurzbeschäftigung eine Farce. „Ein befristetes Visum darf nicht die automatische Ausreise danach bedeuten“, klagt Leo Monz, Leiter des Referats „Migration“ beim DGB. Die Gesellschaft müsse vor einer Entscheidung über die Green Card sagen, in welchem Maße sie bereit sei, die neuen Arbeiter zu integrieren. Die derzeitige Debatte, so Monz, sei ohnehin nur Teil einer notwendigen Diskussion um ein Einwanderungsgesetz. Das sieht zwar auch Innenminister Schily so, der ein Zuwanderungsgesetz nicht ausschließen mag. Mehr als diesen knappen Satz mochte er bislang allerdings nicht in die Diskussion werfen.

Während sich die Regierung noch zurückhält, ist Experten längst klar, dass Deutschland nicht mehr lange ohne ein Einwanderungsgesetz auskommt. Aufgrund der Überalterung der Gesellschaft geht die Zahl der Erwerbstätigen jährlich um 150.000 zurück. Diese Entwicklung lässt nicht nur Arbeitslosenzahlen sinken. Die BA rechnet mit einem „dramatischen Rückgang“ der Arbeitskräfte um 2010. Spätestens dann gibt es nicht mehr genügend Leute für die Arbeit im Land. ANNETTE ROGALLA