Die Massen blieben zu Hause

Am gestrigen 90. Internationalen Frauentag waren diejenigen, die auf die Straße gingen, sehr motiviert. Viele waren es jedoch nicht. Grüne Politikerinnen gingen an die Börse, in Marzahn wurde die Frauenrechtlerin Clara Zetkin geehrt. An einer Demonstration nahmen nur wenige teil

Es waren einige professionelle Frauen, aber wenige ohne frauenpolitischen Hintergrund am gestrigen Internationalen Frauentag unterwegs: Während Bündnisgrüne und einige wenige Marzahnerinnen versuchten, den politischen Inhalt des Tages hochzuhalten, sah es bei Frauenvereinen anders aus.

Um den Frauen Gelegenheit zu geben, einmal nur an sich zu denken, und weil mit politischen Veranstaltungen nur wenige hinter ihrem Ofen hervorgelockt werden könnten, hatten die Mitarbeiterinnen von Brunnhilde e. V. in Mitte einen „Wohlfühltag“ ausgerufen. In den Verein kamen rund 25 Frauen – um zu plaudern oder sich in gesundheitlichen Fragen beraten zu lassen. „Das ist gerade für einsame Frauen sehr wichtig“, befand Mitarbeiterin Regine Glaseneck.

Die bundespolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Antje Radcke, und die Fraktionssprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Renate Künast, machten mit einer schwungvollen Rede in der Börse in der Fasanenstraße deutlich, dass auch am 90. Frauentag kaum Frauen in führenden Positionen der Wirtschaft zu finden sind. „Gerechtigkeit unter den Geschlechtern heißt nicht nur gleiche Verteilung von Arbeit und Lohn, sondern auch ein gleicher Anteil an Führungspositionen“, erklärte Radcke den vorrangig männlichen Journalisten.

Künast forderte nachdrücklich „amerikanische Verhältnisse“. In den USA gibt es gesetzliche Regelungen, die stark kontrolliert werden. Unternehmen werden sanktioniert, wenn sie die Frauenförderung nicht beachten. In den USA gibt es beachtliche Erfolge: 40 Prozent der Führungspositionen sind weiblich besetzt.

Auch politisch, aber weniger medienwirksam begingen etwa 50 Frauen in Marzahn den Frauentag. Christina Rabe, Gleichstellungsbeauftragte des Plattenbaubezirkes, hatte eine Gedenkveranstaltung für die Vorkämpferin der Frauenrechte, Clara Zetkin, organisiert. Das Bedürfnis nach kulturellen Veranstaltungen sei zwar auch unter Marzahner Frauen groß, „aber der Tag ist allein für solche Dinge zu politisch“, betonte Rabe nachdrücklich. Die Frauen erinnerten mit Gedichten an die Frauenrechtlerin, die den Tag in Deutschland erstmalig ausrief.

Vor und im Hauptauschuss des Abgeordnetenhaus, wo gestern über den Etat der Frauenprojekte debattiert wurde, demonstrierten 15 Projekte-Frauen: Sie sollen in diesem Jahr 30 Millionen Mark bekommen, das sind 0,07 Prozent des gesamten Haushalts. An einer Demo unter dem Motto „Frauenpower 2000“ nahmen nach Polizeiangaben 100 Frauen teil. NADINE KRAFT