„Gegen Milan habt ihr keine Chance“

Ein spätes Tor von Milan Fukal besiegelt den 1:0-Sieg von Sparta Prag gegen Hertha in der Champions League

PRAG taz ■ Wenn Dieter Hoeneß einen Skalp hätte, hinge er nach dem 1:0-Sieg von Sparta Prag gegen Hertha BSC am Dienstag in der Champions League am Gürtel von Ivo Viktor. Der Assistenz-Trainer der Prager hatte vor dem Spiel des tschechischen Meisters gegen die Berliner gesagt, dass „auch deutsche Mannschaften zu schlagen sind“. Viktor muss es wissen: Der heute 57-Jährige stand 1976 im Tor, als die Tschechoslowakei gegen Deutschland Europameister wurde. Den entscheidenden Elfmeter schoss ausgerechnet Hoeneß-Bruder Uli über das Tor von Viktor in den Nachthimmel von Belgrad.

Von ähnlicher Spannung war beim „Endspiel um die letzte Chance aufs Weiterkommen“ keine Spur. „Berlin ist Sparta“, hatte bereits Alfred Kerr vor Jahrzehnten seherisch in sein Tagebuch geschrieben. Der Theaterkritiker muss damit die Tolpatschigkeit gemeint haben, die beide Mannschaften zeigten. Als die Tortur nach einer Stunde gar zu groß war, stöhnte ein belesener Zuschauer über die Taktik von Trainer Ivan Hašek: „Mit seinem ‚Schwejk‘ hat Hašek noch die ganze Welt erfreut, aber mit seiner Sparta langweilt er nur.“

Dabei hatte sich der wortkarge Übungsleiter viel vorgenommen. Gegen deutsche Mannschaften sei Hašek immer besonders motiviert, kolportiert ein Bekannter des Trainers und erklärt: „Ganz Fußball-Deutschland durchlebt momentan den Abschied von Lothar Matthäus. Auch Hašek denkt an nichts anderes. Der war nämlich sein Gegenspieler, als Matthäus 1985 sein erstes Länderspieltor schoss. Das wurmt den heute noch.“

Aber eigentlich ist Sparta ja mittlerweile selbst eine Art deutsche Mannschaft: Der Verlag Vltava-Labe-Press, tschechische Tochter des bayerischen Verlagshauses Passau (Passauer Neue Presse), erwarb im Juni 1999 etwa 93 Prozent des Vereins für 800 Millionen Kronen (42 Millionen Mark). „Wir haben schon längere Zeit eine Investition im Bereich des Sports erwogen, begründete Verlagsdirektor Vlastmil Kostal den Kauf. Der Verlag „glaube an den tschechischen Fußball“ und wolle ein Signal für Investoren geben. An einen schnellen Gewinn kann er kaum glauben: Der Verein ist hoch verschuldet. Da die Besucher der heimischen Liga (durchschnittlich 6.000 pro Spiel) kaum die Kasse füllen, ist Sparta auf die Einnahmen aus dem internationalen Geschäft angewiesen. Der Einzug in die zweite Runde der Champions League brachte dem Verein einen warmen Prämien-Regen.

Doch die Präsentation auf der internationalen Bühne ist auch ein Fluch für den tschechischen Rekordmeister: Alljährlich werden die auffälligsten Spieler von zahlungskräftigeren Vereinen aus Westeuropa abgeworben. Wo Sparta möglicherweise stehen könnte, wenn Ballkünstler wie Pavel Nedved (Lazio Rom) und Martin Cizek (1860 München) noch in der Goldenen Stadt spielen würden, zeigt die Kreativität der tschechischen Nationalmannschaft. Und Hertha-Trainer Jürgen Röber ist zwar ohne Punkte, aber mit einigen tschechischen Namen im Kopf aus Prag abgereist. „Dazu sage ich nichts“, sagte Röber, aber den 19-jährigen Tomas Rosicky dürfte er kaum vergessen. Der Prager „Rohdiamant“ absolviert eine erste Saison bei den Profis und gilt wegen seiner unbeschreiblichen Leichtigkeit als „tschechischer Owen“.

Für solche Erörterungen hatten die Zuschauer im Stadion auf der Letna-Ebene viel Zeit. Erst als Sparta-Verteidiger Milan Fukal den Ball in der 90. Minute doch noch ins Gehäuse der Berliner wuchtete, wachten die Prager Fans auf. „Milano habt ihr gepackt, aber gegen Milan habt ihr keine Chance“, wurde der Torschütze in hohe Weihen gehoben. Dieter Hoeneß drückte es nach dem Spiel prosaischer aus. „So ist Fußball“, sagte der Hertha-Boss und wirkte tieftraurig. Dass er sich dabei die hohe Stirn rieb, war sicher Zufall. WOLFGANG JUNG

Sparta Prag: Blazek – Fukal, Jiri Novotny, Bolf, Gabriel – Hapal (65. Siegl), Rosicky, Jarosik, Baranek – Sionko (74. Svoboda), Lokvenc Hertha BSC: Fiedler – Rekdal (90. Sanneh) – Herzog, Konstantinidis – Rehmer, Schmidt, Roy (78. Preetz), Michalke (21. Veit), Hartmann – Daei, Alves Zuschauer: 9.100; Tor: 1:0 Fukal (90.)