pampuchs tagebuch: DIREKT VOM HOF AUS DEM BESSEREN ÖSTERREICH
Die alte Frage, wo der Barthel den Most holt, treibt uns alle immer wieder einmal um. Endgültige Antworten standen bis vor kurzem aus oder hatten zumindest nur lokale Gültigkeit. Mit Hilfe des Internets und der österreichischen Landwirtschaft ist es aber inzwischen gelungen, eine nahezu globale Aufklärung dieser Grundfrage in Angriff zu nehmen. Meine Kollegin E., die für das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt tätig ist, kam kürzlich von einer Recherche aus unserem Anrainerstaat mit einigen erhellenden Informationen zurück, die ich hiermit an die nichtbäuerliche Verbraucheröffentlichkeit weitergebe.
Es wäre müßig, in diesem Zusammenhang der endlosen Haider-Debatte eine weitere Volte hinzuzufügen. Dass die wichtigste bayerische Bauernzeitung sich derzeit anschickt, trotz oder auch wegen des durchgebräunten Fascho-Feschaks aus Kärnten die alpenländische Nachbarschaft zu vertiefen, und ihre Reporter verstärkt ins vermeintliche Reich des Bösen sendet, gereicht ihr durchaus zur Ehre. Schließlich kann man die unschuldigen österreichischen Bauern nicht so einfach dem Bärentaler Lügenjörgl überlassen. Darüber hinaus aber scheint es, dass einige der pfiffigen österreichischen Landmänner inzwischen ohnehin ihr Verhältnis zum Rest der Welt auf eine neue, Haider-unabhängige Ebene stellen. Welche Rolle dabei die Boykottdrohungen aus aller Herren Länder spielen, ist unklar. Das Netz jedenfalls kennt keine Grenzen und demzufolge auch keine Boykotts. Und dieses Netz haben die Erzeuger der vielen appetitlichen österreichischen Produkte – die es ja gottlob auch gibt – nun für sich entdeckt.
Für ihre Zeitung hat E. die Spezialmesse für bäuerliche Direktvermarkter „Ab Hof“ im niederösterreichischen Wieselburg besucht, die im Übrigen durchaus international besetzt war. Das mag damit zusammenhängen, dass die Wettbewerbe um das Goldene Stamperl (Brände, Liköre) die Goldene Birne (Säfte, Obstweine und Moste) und das Kasermandl in Gold (bäuerliche Käsespezialitäten) den Teilnehmern Ruhm und Ehre bringen. Doch abgesehen von diesem Wettstreit und den vielen feinen Produkten dürfte der Eintritt der Direktvermarkter in den E-Commerce die wirklich heiße Neuigkeit aus Wieselburg sein.
Wer sich in Zukunft österreichische Schmankerln unter Umgehung diplomatischer Peinlichkeiten direkt vom Hof auf den Tisch holen möchte, der braucht nur noch „www.abhof.net“ anzuklicken, die „Internetdatenbank für bäuerliche Produkte direkt ab Hof“. Er erhält eine hübsche Palette von Produktsymbolen – (vom Käse über Most bis zu Lebendvieh) und kann dann – je nach Neigung – die „Anbieter saisonaktueller Produkte“ aufrufen, sich an den schön bunt abgebildeten Erzeugnissen weiden und sie per E-Mail ordern.
In der Mostfrage erbrachte eine schnelle Stichprobe umgehend vier Ia-Adressen vom „Stephansharter Mostbirnladen“ bis zum „Trauner im Traunhof“ mit seinen „köstlichen Obstsäften aus dem Hausruckviertel“.
Dabei locken die Adressen neben der elektronischen Direktvermarktung teilweise auch mit touristischen Angeboten wie „Ferien auf dem Bauernhof“ oder dem Besuch „der Riesenmostbirn“, einer fünf Meter hohen, offenbar begehbaren Birne „in der Mostviertler Kulturlandschaft am Donauradweg“. Ganz aufgegeben hat man die Mensch-zu-Mensch-Kontakte von Erzeuger und Verbraucher im Österreichischen dann doch nicht. Wer sich ans Fraternisierungsverbot mit den Ösis halten will, muss bei der Kommunikation trotzdem nicht abseits stehen: Unter www.messewieselburg.at kann jeder an einem speziellen Diskussionsforum über die Ab-Hof-Direktvermarktung teilnehmen. Eine Art österreichischer Informationspool für Mostbarthel. Und alles ohne Jörg.
THOMAS PAMPUCH
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