: Sendeschluss für „B“
Die trotz relativer Gleichschaltung wichtigste regimekritische Stimme Serbiens droht in den kommenden Tagen endgültig zu verstummen
von KARL GERSUNY
„Studio B“ steht vor dem Aus. Der Fernsehsender im Zentrum von Belgrad wurde in dieser Woche zur Zielscheibe von Polizeiterror und staatlicher Repression: Am Montagmorgen überfielen als Polizisten gekleidete Männer eine der Sendeanlagen und stahlen wichtige Teile der technischen Einrichtung. Am Mittag drohte das Ministerium für Fernmeldeanlagen „Studio B“ zu schließen, sollte die Betreibergemeinschaft um den Oppositionsführer Vuk Drašković nicht innerhalb von einer Woche über 10,75 Millionen Dinar (rund 1,8 Millionen Mark) an Gebühren für die Sendefrequenzen zahlen. Am Abend verurteilte ein Belgrader Richter den Chefredakteur wegen Beleidigung eines Polizeigenerals zu einer Geldbuße von umgerechnet 75.000 Mark. Grund: Ein oppositioneller Anwalt hatte in einer Sendung dem Polizeigeneral vorgehalten, nach einem mysteriösen Verkehrsunfall im Oktober 1999 seine Ermittlungspflichten vernachlässigt zu haben. Bei dem Unfall war Drašković beinahe ums Leben gekommen, vom Fahrer des Lastwagens, der das Auto des Politikers frontal rammte, fehlt bis heute jede Spur.
Der bärtige Drašković, Chef der größten Oppositionspartei Serbische Erneuerungsbewegung (SPO), ist allerdings selbst eine politisch dubiose Erscheinung. Das macht es dem Regime leicht, je nach Belieben kritische Medien zu dulden oder zu verbieten. Denn immer wieder paktierte der SPO-Vorsitzende im Sinne des Belgrader Diktators Slobodan Milošević. Das serbisch-nationale Hemd war Drašković dabei häufig näher als der europäische Rock. Während des Nato-Luftkrieges agitierte „Studio B“ gar im Fascho-Stil gegen die „Albanaken“, die zusammen mit „finsteren Kräften im Westen“ einen „Genozid am Serbenvolk“ vorbereiteten. Zu dieser Zeit wurden zahlreiche liberale Radio- und Fernsehmacher bei „Studio B“ und dem Radio-Gegenstück „B-92“ aus der Redaktion gedrängt.
Drašković selbst führte sich als Zensor innerhalb der Opposition auf und spielte in seiner Funktion als zeitweiliger Vizepremierminister Serbiens eine fatale Rolle: Fast alle unabhängigen Medien wurden in jenen Monaten von ihm unter die Knute genommen: Die Gleichschaltung, die dem Regime an den subversiven Rändern der Gesellschaft nicht gelang, übernahm der Saubermann Drašković.
Durch diese Aktion verlor der SPO-Führer im liberalen Bürgertum Serbiens rapide an Ansehen – was „Studio B“ nun zum Verhängnis werden könnte. Denn Milošević’ Gleichschaltungsstrategen sind überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um die letzten noch relativ unabhängigen Medien abzuwickeln. Den Vorstoß hatte der heutige Vizeministerpräsident Vojislav Šešelj, einst selbst Spitzenfunktionär der SPO und enger Mitstreiter Drašković’, bereits im Februar angekündigt. In einer im Staatsfernsehen übertragenen Rede erklärte er die oppositionellen Medien zu „Instrumenten des amerikanischen Hegemonismus“. Um diesen „unnatürlichen Zustand“ abzuschaffen, drohte er: „Wir werden keine Handschuhe mehr anziehen. Alle, die für die Amerikaner arbeiten, müssen die Konsequenzen dafür tragen. Welche Konsequenzen? Die schlimmstmöglichen!“
In einem Staat, in dem den meisten Menschen das nötige Kleingeld fehlt, um sich eine Zeitungen zu kaufen, sind die elektronischen Medien die einzigen Informationsquellen. Doch in der Provinz gibt es außer dem Monopolsender RTV-Beograd mit seinen zwei Fernseh- und drei Radioprogrammen schon lange keine Gegeninformationen mehr. Die Ausnahme bildete bislang die Hauptstadt, vor allem durch „Studio B“ und „Radio B-92“. Beide Sender übertrugen vor Drašković’ Gleichschaltungsaktion sogar mehrmals täglich Nachrichten westlicher Anstalten wie der BBC und der Deutschen Welle oder übernahmen Sendeteile von Radio Free Europe aus Prag. Auf sein Betreiben wurden diese wegen der Zusammenarbeit mit den „antiserbischen Propagandisten“ (Drašković) zu Beginn des Nato-Luftkrieges vor über einem Jahr eingestellt und bis heutenicht wieder aktiviert.
Sollte das Regime die beiden Drašković-nahen Sender schließen lassen, wäre der Aufschrei möglicherweise nicht besonders groß. Viele Belgrader Bürger konnten sich schon lange nicht mehr mit der nationalistischen Programmgestaltung von „Studio B“ identifizieren und greifen lieber auf die Tageszeitung Danas und das Wochenmagazin Vreme zurück. Überregionale Wirkung, die der Opposition in Serbien nützen könnte, erreichen beide Titel aber nicht: Ihre Auflage beträgt zusammen weniger als 6.000 Exemplare.
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