Blech sucht nach Liebe

Sterben ist o.k.: „Der 200 Jahre Mann“ von Chris Columbus ist eine Science-Fiction-Story über den Tod – Robin Williams als familienkompatibel menschelnder Roboter inklusive

„Ich kann diese Grinsefresse nicht mehr sehen.“ Spricht man filmerfahrene Freunde heute auf den Schauspieler Robin Williams an, so hört man immer öfter erschreckend garstige Äußerungen. Robin, was ist geschehen? Du bist doch zweifelsohne einer der ganz großen Mimen unserer Zeit. Wenn nicht sogar das beste Exemplar des Hollywood-Gutmenschentums. Womit hast du das verdient? Selbst das wilde Grimassieren hast du mittlerweile Jim Carrey überlassen (der es jetzt auch nicht mehr will).

„Garp – wie er die Welt sah“ oder „Der Club der toten Dichter“ waren doch voll in Ordnung. Alle mochten dich. Vielleicht fing’s bei „Zeit des Erwachens“ an zu kippen? Den konnte man guten Gewissens nur wegen Bob De Niro als lebendes Gemüse gut finden. Da gingst du uns schon langsam auf die Sehnerven. Du hast dich ganz allmählich in einen melancholischen Clown verwandelt, der mich unangenehm an die schlacksigen Pantomime-Heinis aus der Fußgängerzone erinnert, die einem immer nachstellen und nachäffen, und denen man am liebsten, selbst als friedliebender Mensch, in die weiß geschminkte Fresse hauen möchte.

So ist dann auch das erste Gute am neuen Robin-Williams-Film „Der 200 Jahre Mann“, dass Robin Williams nur im letzten Drittel zu sehen ist. Er spielt nämlich den goldenen Roboter NDR-114, der in einer nahen Zukunft als Haushaltsgerät in die Familie des Millionärs Richard Martin (Sam Neill) kommt.

Ob Williams tatsächlich immer unter der blitzeblanken Roboterhaut steckt, die schon seine Gesichtszüge hat, ist bei seinen Tagesgagen zu bezweifeln. Schon sehr bald menschelt die Maschine, lässt sich vom Hausherren Andrew taufen, in die schönen Künste einweihen, verguckt sich in die schöne Tochter „Little Miss“ (Embeth Davidtz), trifft den Sohn seines Schöpfers, Rupert Burns (Oliver Platt), und wünscht sich bei dieser Gelegenheit das Gesicht von Robin Williams auf seinen blanken Metallgrinseschädel.

Zu diesem Zeitpunkt sind schon mehr als hundert Jahre vergangen und NDR-114/Williams ist nun scharf auf die Enkelin von „Little Miss“. Ein 150 Jahre alter Roboter leiert mit einer jungen Frau – was könnte ein schmieriger Exploitation-Regisseur für einen wundervoll kranken Film aus diesem Stoff machen? Mit ihr will er alt und Mensch werden. Seine Unsterblichkeit ist ihm eine Qual. Wie viele Liebgewonnene hat er schon gehen sehen. Seufz.

Chris Columbus’ „Der 200 Jahre Mann“ ist mit seiner sicher gut gemeinten Mission für die Menschlichkeit so unerträglich süß und klebrig wie drei Mars-Schokoriegel hintereinander. Da bekommt man Sodbrennen und Kopfschmerzen. Sicher geht er auch ans Herz, und der eigentlich für einen Mainstream-Film ungewöhnlich deutliche Hinweis auf unsere eigene Sterblichkeit soll durch NDR-114s Pein des ewigen Lebens kuriert werden. Mit ihm sieht man nahezu alle Mitglieder der Familie Martin auf dem Totenbett sterben. Bis er von offizieller Stelle, einem hohen Gericht, als Mensch (und nicht mehr Maschine) anerkannt werden will. Denn es ist o. k. zu sterben. Es ist besser so. Alles wird gut, hat seinen Sinn. Amen.

Das Drama der menschlichen Vergänglichkeit ist längst besser und einfühlsamer in Cyborg-Filmen wie Paul Verhoevens Robocop behandelt worden. Denn im Umfeld eines Action-Films klatscht einem da auch die Banalität und Sinnlosigkeit des Sterbens ins Gesicht. Doch das wäre Teil einer Realität, die nicht in die heile Welt des „200 Jahre Mann“ passen will. Chris Columbus, der auch bei „Kevin – Allein zu Haus“ Regie führte, möchte nur, dass es uns gut geht, und er verschenkt dabei das Potenzial eines Dramas von frankensteinschen Ausmaßen. Sein durch und durch versöhnlicher Film will Science-Fiction, Familiensaga und seichte Kinderkomödie zugleich sein, ist am Ende aber von all dem nichts. NDR-114 hat nicht mal den Charme eines C3PO aus „Star Wars“. Der Roboter ist nur Robin Williams, und der ist ja vielleicht, wie schon erwähnt, das eigentliche Problem. Ein viel zu gut gemeinter Film für die ganze Familie. JÖRG BUTTGEREIT

„Der 200 Jahre Mann“. Regie: Chris Columbus, nach einer Erzählung von Isaac Asimov. Mit Robin Williams, Sam Neill, Embeth Davidtz, u. a., USA, 130 Min.