super tuesday
: VERGEBLICHE BLÜTENTRÄUME

An eine kurze Scheinblüte inmitten des Winters erinnert rückblickend der sensationelle, aber vergängliche Vorwahlsieg des Republikaners McCain im winterlichen New Hampshire. Für Augenblicke hatte er die Aussicht auf Störung der eingespielten Wahlkampfroutine und auf Suspendierung des langweiligen Spielplans dieser Politsaison eröffnet. Anders als alle anderen war McCain zugänglich, er redete frei von der Leber weg – manchmal Dummheiten, die andere Politiker die Karriere gekostet hätten. Mit den Kandidaten Bush und Gore schien der Wahlkampf so vorhersehbar wie unerheblich zu werden.

Die Wähler aber kamen zu McCain, weil sie vom „Tacheles Express“, wie der seinen Wahlkampfbus nannte, erwarteten, dass er ihre Stimme ins Weiße Haus tragen werde – links oder rechts spielte keine Rolle. Die Blüte ist schnell vergangen.

Drei Monate dauerte dieses Jahr der Vorwahlkampf statt wie sonst ein halbes Jahr. Das werde den politischen Prozess verkürzen, befürchteten Kritiker, werde den Kandidaten keine Zeit zur Entfaltung ihrer Ideen und dem Wahlvolk keine Zeit zur Bildung seiner Meinung geben. Das Gegenteil ist eingetreten. Die Kürze des Wahlkampfs und die Herausforderung der bereits gekürten Kandidaten durch zwei ernst zu nehmende Gegner haben seine Intensität erhöht. Zwei Kandidaten, die ihre Nominierung schon in der Tasche zu haben glaubten, mussten gehörig strampeln. Es war vor allem McCain, der Schichten erreichte, die sich bisher am politischen Prozess nicht oder schon lange nicht mehr beteiligt hatten: Jung- und Neuwähler, Parteilose und Desillusionierte. Die Wahlbeteiligung –Amerikas demokratische Achillesferse – erreichte für den Vorwahlkampf ungeahnte Höhen. Diese Mobilisierung wird dem politischen Prozess zugute kommen. Die Rebellenkandidaturen, wie sie in der amerikanischen Presse bezeichnet wurden, haben Themen auf die Tagesordnung gebracht, die so wenig aus der politischen Diskussion verschwinden werden wie die Stimmen, die auf Antwort pochen. Der Sommer, der diesem wechselhaften politischen Frühling folgt, dürfte heiß werden, und im Herbst wird sich nicht nur zeigen, wer gewinnt, sondern auch, ob die politische Dynamik erhalten bleibt, die der Vorwahlkampf ausgelöst hat. PETER TAUTFEST