Sellafield steht vor dem Aus

Nach dem deutschen Importstopp hat die britische Atomanlage kaum noch Aufträge

DUBLIN taz ■ Die britische Plutoniumschleuder Sellafield steht möglicherweise vor dem Aus, nachdem Bundesumweltminister Jürgen Trittin vorgestern die Lieferung von wiederaufgearbeiteten Mischoxid-Brennelementen (MOX) gestoppt hat. „Der Importstopp bleibt in Kraft, bis zweifelsfrei belegt werden kann, dass alle erforderlichen Sicherheitsstandards in Sellafield erfüllt werden“, so Trittin.

Das britische Atomanlageninspektorat hatte British Nuclear Fuels (BNFL), der Betreiberin von Sellafield, und sechs weiteren Anlagen in einem Bericht „systematische Managementfehler“ und Dokumentenfälschung vorgeworfen. Darüber hinaus wurde bekannt, dass BNFL den Sicherheitstest der MOX-Körner für die Brennstäbe unterlaufen hat, um den Ausschuss zu minimieren.

Trittin deutete an, dass alle deutschen Atommülllieferungen nach Sellafield in Frage gestellt seien. Deutschland ist mit 10 bis 15 Prozent der langfristigen Verträge zweitwichtigster BNFL-Kunde. Das Unternehmen hatte damit gerechnet, dass die neue Anlage, die noch keine Betriebsgenehmigung hat, durch Aufträge aus Deutschland und Japan zu 50 Prozent ausgelastet wäre. Die japanische Kansai hat die Aufträge bereits storniert.

Bleibt es beim Embargo, kann Sellafield kaum überleben, zumal das Unternehmen gestern erneut in die Schlagzeilen geriet: BNFL hat seit zwanzig Jahren einen eigenen Mann mit vollem Diplomatenstatus in der britischen Botschaft, seit 1995 ist es Tom McLaughlan, ehemaliger Kommunikatiosdirektor im Londoner BNFL-Büro. Dafür überweist BNFL dem Außenministerium jährlich eine halbe Million Pfund. Seine Aufgabe: japanische Aufträge für die britische Atomindustrie an Land zu ziehen. Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte, es sei normal, dass die Industrie Repräsentanten in die Botschaften entsende. Dass jemand aber vollen diplomatischen Status erhält und seine Firma 500.000 Pfund dafür bezahlt, ist bisher einmalig. Dennoch, so behauptet das Außenministerium, gebe es keinen Interessenkonflikt, McLaughlan sei dem Botschafter rechenschaftspflichtig, nicht BNFL.

Nach Aussage von Tom Burke, der Berater des Umweltministeriums war, als die Tory-Regierung 1993 dem Bau der Thorp-Wiederaufarbeitungsanlage grünes Licht gab, soll der BNFL-Mann in Tokio alle Telegramme geschrieben haben, auch wenn sie offiziell vom Botschafter kamen. „Er malte darin ein überaus rosiges Bild von den wirtschaftlichen Aussichten für BNFL in Japan.“

RALF SOTSCHEK