Der Spion als Menschenretter

Nicht nur militärisches Gerät konnten die gewarnten Serben in Sicherheit bringen – auch Zivilisten

GENF taz ■ Als bereits in den ersten Tagen des Nato-Luftkrieges gegen Jugoslawien Ende März 1999 ausgerechnet ein F-117A-Stealth-Kampflugzeug, die Wunderwaffe der US-Airforce, abstürzte, war das Entsetzen im Pentagon und im Brüsseler Hauptquartier der Allianz groß. Über die Ursache des Absturzes wollte oder konnte man zunächst keine genaue Auskunft geben. Die Behauptung Belgrads von einem Abschuss des Stealth-Flugzeuges wurde allerdings sofort als Propaganda zurückgewiesen.

Nachfragen von Journalisten stießen geradezu auf beleidigte Empörung. Dazu sei die jugoslawische Luftabwehr unter keinen Umständen in der Lage, hieß es. Der Nato-intern bereits in der ersten Kriegswoche aufgekeimte Verdacht, es könne einen Maulwurf in den eigenen Reihen geben, und die daraufhin ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Geheimhaltung konnten nach außen zunächst erfolgreich verborgen werden. Doch am 13. April berichtete der US-Fernsehkanal ABC unter Berufung auf Nato-Kreise, das Bündnis vermute einen Spion in den eigenen Reihen. In mindestens drei Fällen sei die Führung in Belgrad vor Angriffen der Nato-Luftstreitkräfte über deren Ziele informiert gewesen. Am 7. April, so ABC-TV, hatte die Nato einen Funkspruch jugoslawischer Militärs abgefangen, der die Räumung einer Kaserne vor einem Luftangriff anordnete.

Kurz darauf war auch im westlichen Fernsehen zu besichtigen, wie jugoslawische Offizielle in Belgrad kistenweise Dokumente aus Regierungsgebäuden trugen, die wenig später Ziel von Nato-Bomben waren. Der Spion in den eigenen Reihen sei „eine gewaltige politische Schlappe für den Westen“, hieß es grimmig im Brüsseler Nato-Hauptquartier. Doch das sei „die Logik und die Sprache aus der Zeit des Kalten Krieges“, befand damals taz-Kommentator Stefan Reinicke und erkor den Spion bei der Nato zum „Held der westlichen Wertegemeinschaft“. Er habe dafür gesorgt, „Kollateralschäden“ unter der Zivilbevölkerung wenigstens zu minimieren. Und damit habe er auch der Nato in ihrem Bemühen um „moralische Lufthoheit“ eher genutzt als geschadet. Daran anknüpfende Spekulationen, die Nato habe aus eben diesem Grunde vielleicht sogar ganz offiziell vor bestimmten Angriffen Informationen nach Belgrad geliefert, um die rechtzeitige Evakuierung von Zivilisten zu ermöglichen, wurden damals und werden bis heute im Brüsseler Hauptquartier und den Hauptstädten der 19 Nato-Staaten heftig dementiert. ANDREAS ZUMACH